Literaturräume, Schulbuch
Kürche mitgebracht, und hingekleibt. […] Einsiedel: Ach liebes Kind, […] wüsste ich nur, wo deine Eltern wohneten, so wollte ich dich gerne wieder hinbringen und sie zugleich lehren, wie sie Kinder erziehen sollten. Simplicius: Ich weiß nicht, wo ich hin soll – unser Haus ist verbrennet, und mein Meuder hinweg- gelaufen und wieder kommen mit dem Ursele, und mein Knan auch, und unser Magd ist krank gewesen und ist im Stall gelegen. Einsiedel: Wer hat denn das Haus verbrennt? Simplicius: Ha, es sind so eiserne Männer kommen, die sind so auf Dingern gesessen, groß wie Ochsen, haben aber keine Hörner, dieselben Männer haben Schafe und Kühe und Säu gestochen, und da bin ich auch weggelaufen, und da ist danach das Haus verbrennt gewesen. Einsiedel: Wo war denn dein Knan? Simplicius: Ha, die eisernen Männer haben ihn angebunden, da hat ihm unser alte Geiß die Füß geleckt, da hat mein Knan lachen müssen, und hat denselben eisernen Mannen viel Weißpfennig geben, große und kleine, auch hübsche gelbe, und sonst schöne glitzerichte Dinger, und hübsche Schnür voll weißer Kügelein. […] 77 Der leseraum Text 2: Auszüge aus dem fünften Buch Simplex zieht eine Bilanz seines Lebens und begründet seinen Abschied von der Welt. 1 Liebhaber [Aus dem fünften Buch, Kapitel 23] Als ich […] in diese Welt kam, da war ich einfältig und rein, aufrecht und redlich, wahrhaftig, demütig, eingezogen, mäßig, keusch, schamhaftig, fromm und andächtig; bin aber bald boshaftig, falsch, verlogen, hoffärtig, unruhig und überall ganz gottlos worden, welche Laster ich alle ohne einen Lehrmeister gelernet […]. [Aus dem fünften Buch, Kapitel 24] Adieu Welt, denn in dir wird niemand mit seinem rechten Namen genennet, den Vermessenen nennet man kühn, den Verzagten vorsichtig, den Unge- stümen emsig, und den Nachlässigen friedsam; einen Verschwender nennet man herrlich, […] einen hinterlistigen Schwätzer und Plauderer nennet man beredt, und den Stillen einen Narrn oder Phanta- sten; einen Ehebrecher und Jungfrauenschänder nennet man einen Buhler 1 ; […] einen Rachgierigen nennet man einen Eiferigen, und einen Sanftmü- tigen einen Phantasten. […] 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 2 4 6 2 4 6 8 10 AUFGABE > Listen Sie alle Missverständnisse und Unkenntnisse von Simplex auf! Ordnen Sie sein Nichtwissen jeweils folgenden Ursachen zu: – sprachliche Barrieren aufgrund der in Simplex’ Familie ausschließlich verwendeten Mundart, – sprachliche Barrieren aufgrund in der Familie nie gebrauchter Worte, – Nichtwissen, weil aufgrund der Armut seiner Familie die entsprechenden „Dinge“ unbekannt sind! AUFGABEN > Arbeiten Sie aus Kapitel 23 die Gegensatzbegriffe (Antithesen) heraus, mit denen Simplex das, was er in der Realität getan und erlebt hat, mit dem Ideal vergleicht, wie er hätte handeln und leben müssen! > Welche Kritik formuliert der Autor in Kapitel 24? Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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