Literaturräume, Schulbuch
72 DIe lIteratur Des barock (1600–1720) Andreas Gryphius Es ist alles eitel DV sihst / wohin du sihst nur Eitelkeit auff Erden. Was diser heute baut / reist jener morgen ein: Wo itzund Städte stehn / wird eine Wisen seyn / Auff der ein Schäfers-Kind wird spilen mit den Herden: Was itzund prächtig blüht / sol bald zertretten werden Was itzt so pocht und trotzt / ist Morgen Asch und Bein / Nichts ist / das ewig sey / kein Ertz / kein Marmorstein. Itzt lacht das Glück uns an / bald donnern die Beschwerden. Der hohen Thaten Ruhm muß wie ein Traum vergehn. Soll denn das Spil der Zeit / der leichte Mensch bestehn? Ach! was ist alles diß / was wir vor köstlich achten / Als schlechte Nichtigkeit / als Schatten, Staub und Wind; Als eine Wisen-Blum / die man nicht widerfind’t. Noch will was Ewig ist / kein einig Mensch betrachten! Paul Fleming Ein getreues Hertze Ein getreues Hertze wissen / hat deß höchsten Schatzes Preiß. Der ist seelig zu begrüssen / der ein treues Hertze weiß. Mir ist wol bey höchstem Schmertze / denn ich weiß ein treues Hertze. Läufft das Glücke gleich zu zeiten anders als man will und meynt / ein getreues Hertz’ hilfft streiten / wider alles / was ist feind. Mir ist wol bey höchstem Schmertze / denn ich weiß ein treues Hertze. […] Martin Opitz Ach Liebste laß uns eilen Ach Liebste laß vns eilen Wir haben Zeit 1 Es schadet das verweilen Vns beyderseit. Der Edlen Schönheit Gaben Fliehen fuß für fuß: Daß alles was wir haben Verschwinden muß. Der Wangen Ziehr verbleichet Das Haar wird greiß Der Augen Feuer weichet Die Brunst wird Eiß. Das Mündlein von Corallen Wird ungestalt Die Händ’ als Schnee verfallen Vnd du wirst alt. Drumb laß uns jetzt geniessen Der Jugend Frucht Eh’ wir folgen müssen Der Jahre Flucht. […] Friedrich Logau Des Krieges Buchstaben Kummer, der das Mark verzehret, Raub, der Hab und Gut verheeret, Jammer, der den Sinn verkehret, Elend, das den Leib beschweret, Grausamkeit, die unrecht kehret, Sind die Frucht, die Krieg gewähret. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 2 4 6 2 4 6 8 10 12 14 2 4 6 8 10 12 1 Dieser Vers wird verschieden gedeutet: entweder„Es ist an der Zeit“ oder„Es ist die rechte Gelegenheit“. AUFGABEN > Arbeitsvorschlag 1 – Motiv: Bestimmen Sie das dominierende Motiv der Gedichte (politische Kritik, CarpediemMotiv …)! > Arbeitsvorschlag 2 – Metaphern und Vergleiche: Arbeiten Sie die Metaphern und Vergleiche heraus, mit denen im Gedicht von Opitz das ästhetische Frauenideal der Zeit vorgestellt wird. Gliedern Sie das Gedicht in folgende Abschnitte: Aufforderung an die Geliebte/Begründung/Beispiele/Schlussfolgerung. Vergleichen Sie in den Gedichten von Opitz und Gryphius die Beispiele, welche die Vergänglichkeit veranschaulichen sollen. > Arbeitsvorschlag 3 – Analyse von Rechtschreibung/Zeichensetzung: Untersuchen Sie anhand der Gedichte von Opitz, Gryphius und Fleming, die in der Originalsprache der Ausgaben von 1637 bzw. 1679 wieder gegeben sind, einige Unterschiede zur heute gültigen Rechtschreibund Zeichensetzungsnorm. Achten Sie dabei vor allem darauf, was alles in der Barockzeit noch nicht geregelt war. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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