Literaturräume, Schulbuch

66 DIe lIteratur Des barock (1600–1720) Die Rivalen um die Macht Drei Herrscherhäuser dominieren die Auseinandersetzung um die Macht: die französischen Könige, die Schwe­ den, die den Ostseeraum beherrschen, und die Habsburger. Sie stellten die Kaiser im Römischen Reich Deutscher Nation, waren Könige in Spanien und Herren in großen Teilen der Neuen Welt. Das Ringen um die Macht in Eu­ ropa wurde zur zentralen Frage des ganzen Jahrhunderts. Die vielfältigsten politischen Koalitionen entstanden. Das protestantische Schweden verbündete sich mit den Protestanten im Reich. Das katholische Frankreich ver­ bündete sich mit dem protestantischen Schweden gegen die katholischen Mächte, um die Habsburger im Reich und in Spanien schwächen zu können. Das Reich zerfällt 1648 wurde in Münster nach dreißig Jahren Krieg der Westfälische Frieden geschlossen. Der durch diesen „Er­ schöpfungsfrieden“ beendete Krieg ließ ein verheertes Mitteleuropa zurück. Durch Kriegshandlungen, Hunger, Pest, Seuchen und Hexenverfolgungen war die Bevölkerung des Reiches von ungefähr 15 bis 17 Millionen vor dem Krieg auf 10 Millionen zurückgegangen. Viele Regionen hatten mehr als die Hälfte der Bevölkerung verloren. Die Hauptlasten des Krieges hatten die Bauern und die Bürger der Städte zu tragen gehabt. Am Ende des Krieges waren auf religiösem Gebiet keiner der Parteien entscheidende Erfolge gelungen. Politisch hatte Frankreich eine dominante Rolle in Europa errungen, das Kaisertum war geschwächt. Die Habsburger zogen sich weitgehend auf Österreich zurück, dem sie in Verbindung mit der Abwehr der Türkengefahr (1683 zweite Belagerung Wiens) eine neue Machtposition im Südosten Mitteleuropas sicherten. Die Fürsten regieren absolut Das deutsche Reich war in mehr als 300 Staaten unterschiedlicher Größe zerfallen, die von den Fürsten absolutis­ tisch regiert wurden. Als Vorbild diente ihnen das Frankreich Ludwigs XIV. Die Fürsten herrschten „von Gottes Gnaden“, die soziale Einteilung in Herrschende und Untertanen galt als „gottgewollt“. Auch viele Dichter er­ hielten von den Höfen ihre Aufträge. Sie hatten Gedichte, Romane oder Theaterstücke zu schreiben, die anläss­ lich von Geburtstagen, Thronjubiläen oder siegreichen Kriegen zur Ehre der Fürsten präsentiert wurden. DIe lIteraturübersIcht Auf der Suche nach einer deutschsprachigen Nationalliteratur Das Problem der deutschen Literatur Im 16. Jahrhundert waren die jeweils in ihrer Landessprache geschriebenen Literaturen in Italien, Frankreich, England, Spanien zu hoher Blüte gelangt. Diesen Nationalliteraturen hatte die Literatur deutscher Sprache nichts ent­ gegenzusetzen. Gerade in Kriegszeiten übernimmt Literatur auch oft eine identitätsstiftende Aufgabe. In Deutschland entwickelten sich mit diesem Hintergrund Reformbestrebungen, um eine den übrigen europäischen Lite­ raturen ebenbürtige deutschsprachige „Poeterey“ (= Literatur) zu schaffen. Als Ansporn galten antike Dichtungstheorien wie die „Ars poetica“ des Horaz und die italienischen und französischen Dichter wie Francesco Petrarca, Joachim du Bellay und Pierre Ronsard. Von großer Bedeutung ist dabei Martin Opitz (1597–1639) mit seinem „Buch von der deutschen Poe­ terey“ aus dem Jahr 1624. Der gute Dichter ist für Opitz ein „Gelehrter“, der die poetischen Formen beherrscht. Neben dem „Buch von der deutschen Poeterey“ bietet der „Poetische Trichter“ von Georg Philipp Harsdörffer (1607–58) wichtige Anleitungen. Wie man Wein durch Trichter in Behälter gießt, so könne man auch die deutsche Dichtkunst „in VI Stunden / wo nicht vollkömmlich / jedoch zur Noth verfassen und verstehen“ . INFO Die Bedeutung der Bibliotheken Die Beschäftigung mit den fremden Literaturen und mit der deutschen Sprache war nicht zuletzt auch aufgrund der Errichtung von Biblio­ theken möglich geworden. Seit Humanismus und Reformation waren die Stadtund Schul­ bibliotheken von Bedeutung. Parallel dazu entstanden die Fürstenbibliotheken und wurden zu Zentren von Wissenschaft, Philosophie und Repräsentation. In den katholischen Ländern nahmen die Stiftsbibliotheken vielfach diesen Rang ein. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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