Literaturräume, Schulbuch
54 renaIssance, humanIsmus, reformatIon (1450–1600) Die Literatur engagiert sich Die Reformation lenkte das Bewusstsein auch auf soziale Ungerechtigkeiten. In den Bauernkriegen von 1524/25 bildeten Flugschriften und Manifeste ein beherrschendes Kampfmittel. Von besonderer Schärfe waren die Mani feste „Hochverursachte Schutzrede“ und „Manifest an die Mansfelder Bergknappen“ von Thomas Müntzer (4) , der die religiösen Forderungen von Gleichheit und Brüderlichkeit in die Tat umsetzen wollte. Luther allerdings lehnte den Aufstand mit der Begründung ab, die weltliche Ordnung könne sich ohne Ungleichheit nicht be haupten. In seiner Schrift „Wider die reubischen und mördisschen rotten der bauren“ rechtfertigte er die blutige Niederschlagung der Aufstände. Literatur zur Unterhaltung: Volksbücher und Schwänke Der Buchdruck ermöglichte es auch, dass erstmals das Buch in größerem Umfang als Unterhaltungsmittel ein gesetzt wurde. Spätmittelalterliche Stoffe werden in Schwanksammlungen zum beliebten Lesestoff. Ein Beispiel dafür ist das „Rollwagenbüchlein“ von Jörg Wickram (1505–62). Die „Volksbücher“, wie etwa die „Historia von D. Johann Fausten“ aus dem Jahr 1587 (Faust-Fenster) , „Die Schildbürger“ (1598) oder die „Historie von dem ge hörnten Siegfried“, die den SiegfriedStoff mit Artusmotiven vermengt, werden populär. Die Literatur der Städte Der Aufschwung von Handel und Handwerk im 15. Jahrhundert begünstigte auch die Entfaltung des kulturellen Lebens in den Städten. Bürger, kirchliche Kreise und in die Stadt gezogene Adelige formten sich in schulischen Einrichtungen, deren höchste Ebene die humanistisch geprägten Gymnasien waren. In ihnen bildete sich das meist in Latein verfasste Schuldrama, das im Dienst von Humanismus und Reformation stand. Die Handwerker pflegten eine eigene Art von Dichtung, den „Meistersang“, ohne Musikbegleitung vorgetragene Lieder. Diese „Meistersinger“ sahen sich als Nachfahren der Minnesänger des Mittelalters, unter denen sie besonders Walther von der Vogelweide schätzten. Fixe Regeln für Text und Vortrag sollten das Dichten erlernbar machen. Dies trug allerdings auch bei zur Verschulung der Dichtung und zum Verlust schöpferischer Spontaneität. Der bedeu tendste Meistersinger, Hans Sachs (1494–1576), dem wir eine frühe Fassung des Motivs vom „Schlaraffenland“ verdanken (5) , wirkte in Nürnberg. Er schrieb nicht nur Tausende von Meisterliedern, sondern auch viele Komö dien, Fastnachtsspiele, Schwänke und Flugblatttexte im Dienst der Reformation. Der leseraum 1 Bildung statt Saufbrüder Erasmus von Rotterdam: „Der Abt und die gelehrte Frau“ (1526) Gescheite Frauen, dumme Äbte Schüler, Mönche, Kaufleute, selbstbewusste Frauen und Dirnen treten in Erasmus von Rotterdams „Colloquia familiaria“ – „Vertraute Gespräche“ auf. 81 Dialoge befassen sich mit Fragen der Bildung, des Verhaltens in der Gesellschaft, Missständen im Klerus. Der folgende Abschnitt stammt aus dem satirischen Dialog „Der Abt und die gelehrte Frau“. Abt Antronius besucht die Dame Magdalia und wundert sich, dass ihre Wohnung voller Bücher ist. Antronius: Ich möchte nicht, dass meine Mönche häufig über den Büchern säßen. Magdalia: Mein Mann jedoch ist sehr dafür. Aber warum bist du denn bei den Mönchen dagegen? Antronius: Weil ich merke, dass sie dann weniger unterwürfig sind: rasch sind sie mit Antworten aus […] Petrus und Paulus zur Hand. Magdalia: Du verlangst also von ihnen Dinge, die mit Petrus und Paulus in Widerspruch stehen? Antronius: Was bei denen steht, weiß ich nicht. Jedenfalls habe ich nicht gern einen Mönch, der freche Antworten gibt; und ich möchte auch nicht, dass einer meiner Untergebenen gebildeter ist als ich. 2 4 6 8 10 12 14 Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=