Literaturräume, Schulbuch
kein Fingerbreit blieb von ihr noch beisammen. Papageien und Lerchen, Falken und Turteltauben, die auf die Kappe gestickt waren, die wurden nun hin über den Weg verstreut. Hier lag eine Locke, dort ein Fetzen von der Kappe und vom Haar. Selbst wenn ich noch nie die Wahrheit gesagt hätte, so müsst ihr mir doch diese Geschichte von der Kappe glauben, wie klitzeklein sie zerrissen wurde. Noch niemals habt ihr einen so kahlen Schädel gesehen: sein lockiges blondes Haar sah man jämmerlich zerzaust auf der Erde liegen. […] Dann hängten sie ihn an einem Baum auf. Ich meine, dass der Traum des Vaters sich hiermit bewahrheitet hat. Damit ist diese Geschichte zu Ende. „Helmbrecht“ – ein Werk aus dem Innviertel Das Werk ist in zwei Handschriften überliefert. Die als zuverlässiger geltende Handschrift aus dem „Ambraser Heldenbuch“ verzeichnet Ortsnamen aus dem Innviertel, die zweite Handschrift Orte aus dem Gebiet um Wels. Lokalisieren lässt sich die Handlung aufgrund von Ortsangaben sehr genau im Innviertel. Dort existiert auch bis heute ein seit dem Mittelalter bezeugter „Helmbrechthof“. Die Wissenschaft diskutiert die Frage, ob der Erzäh lung eine wahre Begebenheit aus dieser Gegend zugrunde liegt. 45 Der leseraum 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 2 Das Ende der höfischen Welt Oswald von Wolkenstein: „Durch Barbarei, Arabia“ (um 1425) Ein abenteuerliches Leben Zwischen 1376 und 1378 wird Oswald im Südtiroler Pustertal geboren. Er nennt sich nach einer der Burgen seiner Familie, Burg Wolkenstein in Gröden. Früh verliert er durch einen Unfall sein rechtes Auge, verlässt als Zehnjähriger das Elternhaus und zieht durch Süd und Osteuropa. Er wird trotz seiner ritterlichen Herkunft Koch, Ruder und Pferdeknecht, fährt ins Heilige Land, gerät in Erbstreitigkeiten, wird von der Familie sei ner früheren Geliebten eingekerkert, legt sich mit dem Tiroler Herzog an. Er stirbt 1445 in Meran und wird im Kloster Neustift bei Brixen begraben. Auch seine Lieder zeigen die Umbrüche des späten Mittelalters und den Verlust der Stellung des Rittertums. In dem späten Lied „Durch Barbarei, Arabia“ beklagt der Dichter sein Schicksal. Nach Fahrten durch ganz Helmbrecht im modernen Roman: Alois Brandstetter: „Der geborene Gärtner“ INFO Es ist das Jahr 1286. Konrad von Burghausen, Prior des Stiftes Ranshofen, ist mit Wernher, seinem Gärtner, unzufrieden. Anstatt den Garten zu pflegen, hat er den „Helmbrecht“ geschrieben. Hopfen oder Kräuter hätte er kultivieren sollen, für Bier oder Kräuterschnaps zum Verkauf. Stattdessen hat Wernher gedichtet. Hätte er wenigstens Loblieder auf Heilige verfasst. Doch „Helmbrecht“ hat beim Adel Kritik erregt, was dem Kloster zusätzlich schaden könnte. Der im Grunde verständnisvolle Prior „verbannt“ Wernher aus dem Garten in die Schreibstube. Doch Brandstetter bleibt in seinem Roman nicht im 13. Jahrhundert stehen. Im Jahr 1940 wurde ein oberösterreichischer Pfarrer, der Gartenarbeit mehr liebte als die intellektuellen Seiten seines Berufs, aufgrund einer Denunziation ins Konzentrationslager Dachau gebracht, überlebte und erfüllte anschließend wieder seine Aufgaben als Seelsorger. Sein Kirchgarten war ihm nach wie vor wichtig. Er tat genau das, was Wernher unterließ. Die Vorgesetzten aber tadelten Pfarrer Heinrich Steiner, er vernachlässige die Seel sorgepflichten zugunsten des Gartens ... Oswald von Wolkenstein AUFGABE > Informieren Sie sich über die „Helmbrechttradition“ und die bayrischösterreichische touristische Nutzung des Werkes unter http://www.gilgenberg.at/helmbrecht/helmbrechtseite.htm oder www.burghausen.de . Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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