Literaturräume, Schulbuch
426 DIe gegenWartslIteratur – mIt österreIchschWerpunkt Zu These vier – Viele wollen einfach was erzählen Erzählt wird von der jüngsten österreichischen Literatur tatsächlich in einer Vielfalt von Themen und Stilen. Die alten Mythen – neu erzählt Den vermutlich ältesten Text der Weltliteratur übersetzt und gestaltet Raoul Schrott neu. Es ist das babylonische „GilgameschEpos“, das um 1200 vor unserer Zeitrechnung entstanden ist und die Auseinandersetzung des Gilgamesch mit den Göttern, seine vergebliche Suche nach der Unsterblichkeit und die Vergänglichkeit des Menschen schildert. Michael Köhlmeier feiert Erfolge mit seinen Nacherzählungen der Bibel, der Mythen der Griechen und Germanen, österreichischer Sagen, bedient sich antiker Motive in seinen Romanen „Telemach“ und „Kalypso“, vermarktet seine Geschichten als CDAusgaben und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, den alten Mythen des Verkaufserfolgs halber auch ihre Tiefe genommen zu haben. Mit modischem Nacherzählen alter Mythen hat Ferdinand Schmatz nichts zu tun. In „das grosse babel,n“ (1999) experimentiert der Autor mit Texten des Alten Testaments und der JohannesApokalypse des Neuen Testaments. Figuren, Sätze, Wörter wer den neu kombiniert, verlieren ihr Pathos und bewahren gerade deshalb die biblischen Themen als zeitlos und aktuell. Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies lesen sich bei Schmatz so: „diese, die dame, der herr – zie- hen sich, da ausgezogen, nicht mehr an, sondern fort – da der ort endlich leer ist, der garten, jetzt kann warten.“ Reisen in die Tiefen von Raum und Zeit Die jüngste österreichische Literatur unternimmt zahlreiche Reisen in Raum und Zeit. Begonnen hatten damit Peter Rosei mit dem Aussteigerroman „Von hier nach dort“ (1978) und Christoph Ransmayr in den 80erJahren mit „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“. Dieses Buch geht der österreichischungarischen Nordpolexpe dition von Julius Payer und Karl Weyprecht von 1872 bis 1874 nach und verschränkt sie mit der Jetztzeit. Rans mayrs nächster Roman „Die letzte Welt“ führt in die Antike. Der Roman schickt den Römer Cotta auf die Suche nach dem von Kaiser Augustus ans Schwarze Meer verbannten Dichter Ovid. Doch Cotta findet Ovid nicht. Er muss feststellen, dass Ovid nicht als Person existiert, sondern nur als Werk – das Werk wiederum existiert nicht als Text, sondern ist mit der im Roman dargestellten ver meintlichen Wirklichkeit identisch. Thomas Stangls (*1966) von der Kritik als ein „geniales Werk, mutig, kühn“ hochgelobter Roman „Der einzige Ort“ (2004) geht zwei Forschungsreisenden nach, die in die afrikanische Wüstenstadt Timbuktu vordringen. Raoul Schrott steuert unter Einbeziehung des TristanundIsoldeMythos seine Personen aus verschiedenen Jahrhunderten auf die ent fernteste Insel der Erde, Tristan da Cunha, („Tristan da Cunha oder Die Hälfte der Erde“) oder um die ganze Welt („Die Wüste Lop Nor“). Der seit langem in Wien lebende Deutsche Daniel Kehl mann führt in „Die Vermessung der Welt“ (2005) zwei der bedeutendsten Forscher des 19. Jahrhunderts zusammen. Der eine, Alexander von Humboldt, kämpft sich durch Urwald und Steppe, befährt den Orinoko, besteigt Vulka ne und begegnet Kannibalen. Der andere, der Mathema tiker und Astronom Carl Friedrich Gauß, kann nicht ohne Frauen leben und stürzt doch in der Hochzeitsnacht aus dem Bett, um eine Formel zu notieren. INFO Die Postmoderne Texte wie „Die letzte Welt“ oder „Tristan da Cunha“ werden als „postmodern“ bezeichnet. Kennzeichen der postmodernen Literatur sind: – Zweifel an der objektiven Wirklichkeit, die als Konstruktion unserer Sinne aufgefasst wird; – Fortschrittsskepsis und Zivilisationskritik; – Intertextualität – zahlreiche Anspielungen und Bezüge auf andere Werke der Literatur; – Mehrfachkodierung – Texte können nicht mehr sicher einer Gattung zugeordnet werden; Ransmayrs Roman enthält Elemente von Kriminalroman, historischem Roman, Bildungsund Entwicklungsroman, „Tristan da Cunha“ zeigt Aspekte von Liebes, Seefahrer, Entdeckungsund historischem Roman. Ein postmoderner Text ist auch Patrick Süskinds Erfolgsroman „Das Parfum“ (1985). AUFGABE > Besuchen Sie auf www.krimiautoren.at die Plattform der österreichischen Kriminalliteratur. Sie finden dort alle Neuerscheinungen, die Geschichte des österreichischen Krimis, Informationen zu den Autoren. Die Seite http://www.krimiautorinnen.at ist auf die österreichischen Autorinnen von Kriminalromanen spezialisiert. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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