Literaturräume, Schulbuch

grenzenlos Wie geht es weiter – mit der Literatur und mit den Büchern? Die Thesen einer Literaturwissenschafterin Die österreichische Literaturwissenschafterin Daniela Strigl sieht die jüngste österreichische Literatur neue Wege gehen. Die Autorinnen und Autoren hätten genug von der „schrecklich-komischen Nabelschau“ der Österreich­ Kritik und der als Unterwerfung dargestellten MannFrauBeziehung wie bei Thomas Bernhard und Elfriede Jelinek. Laut Strigl profiliert sich eine „jüngere Generation von Schreibenden jenseits des Selbstekel-Klischees“ . In sieben Thesen fasst sie die neuesten, zukunftsweisenden Tendenzen der Literatur zusammen, vier davon finden Sie hier: These eins – Der österreichische Selbstekel wird allen fad, sogar den Österreichern These zwei – Das Grausliche bleibt aber ihr Markenzeichen – sie lieben Medizin und Verbrechen […] These vier – Viele wollen einfach was erzählen These fünf – Humor ist nicht verboten Der Versuch einer Thesenüberprüfung Die „Literaturräume“ versuchen im Folgenden die Thesen der Wissenschafterin zu „überprüfen“. These eins – „Selbstekel“ ist out „Österreichhuberei“ hatte der Literaturwissenschafter Franz Haas den ausgeprägten Österreichbezug der öster­ reichischen Literatur schon 1999 genannt. Zurzeit aber ist von „Österreichhuberei“ oder „Selbstekel“ in der österreichischen Literatur weniger zu vernehmen. Streitbare Essays wie „Das war Österreich. Gesammelte Essays zum Land ohne Eigenschaften“ von Robert Menasse gibt es jedoch nach wie vor. Häufig wird die Kritik ironisch­ witzig verpackt, wie zum Beispiel im Roman „Nil“ von Martin Amanshauser (*1968). Zwischen Politthriller und Satire spielt sich der Skandal um einen österreichischen Politiker aus dem Jahr 2010 ab. Seine Partei heißt „Freie Front“, der Mann soll mit Nacktfotos erpresst werden. Der Roman „Doktor Paranoiski“ (2001) des PopFolk­ BluesSongwriters Ernst Molden bringt die Kritik an österreichischer und globaler Politik in einem Verwirrspiel zwischen Wirklichkeit und Wahn. Kritik mit Kriminalstory finden Sie in Gerhard Roths Roman „Das Labyrinth“ (2005). Zu den Thesen zwei und fünf – Verbrechen, Humor, Medizin Auch dazu können Ihnen die „Literaturräume“ eine erste Bestätigung anbieten. Blättern Sie dazu auf Seite 430 zum Projekt „Vom Leben, Arbeiten und Sterben in Stadt und Land“. Unter den dort zitierten Krimis finden Sie Bücher, deren gar nicht zimperliche „Grauslichkeit“ wie Witz sie europaweit bekannt gemacht haben. Dazu ge­ hören die BrennerRomane von Wolf Haas, die mit dem schon legendären Satz beginnen: „Jetzt ist schon wieder was passiert.“ Zu den bemerkenswerten Krimis zählen außerdem die Bücher von Stefan Slupetzky („Der Fall des Lemming“), Bernhard Salomon („Rot Weiß Tot“), die feministischen aktuellpolitischen MiraValenskyKrimis von Eva Rossmann und der originelle Text „Im Magen einer kranken Hyäne“ von Martin Amanshauser. „Frauen­ krimis“ bietet der Band „Tatort Wien“. Schon seit längerer Zeit gelten anspruchsvolle Krimis nicht mehr als „min­ dere“ Literatur, sondern finden die Akzeptanz der Kritik. Schwärzesten Humor bieten die DorfromanKrimi­ SatireKombinationen „Austrian Psycho oder Der Rabiat Hödlmoser“ von Franzobel, der zugleich auf Bret Easton Ellis und den Briefbombenattentäter Franz Fuchs aus den 1990erJahren anspielt. Auch reale und mythische Vam­ pire kommen wieder zu literarischen Ehren, so in Ernst Moldens Text „Austreiben. Ein VampirRoman“ (1999). Zwischen Kriminalroman und medizinischer Fallgeschichte, die das Grauen nicht verschweigt, pendelt der Roman „Die Menschenfresserin“ von Monika Wogrolly – der Titel ist buchstäblich zu nehmen. Klinische Fälle prägen auch die Bücher von Melitta Breznik („Nachtdienst“, „Figuren“), der Südtirolerin Sabine Gruber („Die Zumutung“) und den Text „Über die Chirurgie“ von Paulus Hochgatterer. Thomas Raab stellt den realen Fall eines Wiener Psychiaters, dessen Frau in der Panik der Scheidung ihre Kinder aus dem Fenster warf und ihnen nachsprang, in den Mittelpunkt seines Romans „Verhalten“ (2002). 425 grenzenlos Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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