Literaturräume, Schulbuch

368 DIe gegenWartslIteratur – mIt österreIchschWerpunkt Im politischen Vorfeld: die Frauenbewegung Der Aufschwung der „Frauenliteratur“ verläuft parallel zu den emanzipa­ torischen Bestrebungen der Frauenbewegung der 70erJahre. Die Frauen­ bewegung erhebt die Forderung, nicht nur auf politische und wirtschaft­ liche Ungerechtigkeiten zu achten, denen sowohl Männer als auch Frauen ausgesetzt sind. Sie weist auch auf die Dominanz hin, die spezi­ fisch von den Männern ausgeht und auf den Frauen lastet. Zu den beson­ deren Themen der Frauenbewegung zählt die Unterdrückung der Frau durch die Sprache. Der heute kaum mehr umstrittene geschlechter­ gerechte Sprachgebrauch, der die Frauen nicht mehr ausschließt oder in männlichen Begriffen bloß „mitmeint“, resultiert aus der feministischen Bewegung. Zu den einflussreichsten Publikationen der Frauenbewegung zählt die 1977 zum ersten Mal und bis heute erscheinende Zeitschrift „Emma“. In „Emma“ schreiben Frauen nicht nur, das Blatt wurde auch lange ausschließlich von Frauen verwaltet. In von Frauen initiierten Ver­ lagen erschienen auch viele der ersten Erfolgsbücher der „Frauenliteratur“. Dazu gehören „Klassenliebe“ (1973) von Karin Struck (1947–2006), „Häutungen“ (1975) von Verena Stefan (*1947), „Mitteilungen an den Adel“ (1975) von Elisabeth Plessen (*1944) und der Roman „Wie kommt das Salz ins Meer“ (1977) der Oberösterrei­ cherin Brigitte Schwaiger (1949–2010), der mit einer Auflage von mehr als 500.000 Exemplaren zum Weltbest­ seller wurde. Im literarischen Vorfeld: Ingeborg Bachmann und Marlen Haushofer Obwohl sich Ingeborg Bachmann selbst nie als Feministin bezeichnet, sich politisch von der Frauenbewegung der 70erJahre sogar distanziert hat und sich ihre Texte nicht als unmittelbar autobiographisch lesen lassen, wur­ den vor allem ihre späten Erzählungen richtungsweisend für das Schreiben der jüngeren Autorinnen. Bachmann beschreibt die Zurichtung von Frauen durch die patriarchale Gesellschaft, von Bachmann als „Immer-Krieg- Gesellschaft“ bezeichnet. Besonders deutlich wird die Dominanz des Mannes über die Frau in den ProsaWerken „Malina“ (1971), „Simultan“ (1972) und in dem unvollendeten Werk „Der Fall Franza“, das die Verdinglichung einer Frau zum Forschungsobjekt ihres Mannes darstellt. Der Psychiater Leo Jordan vernichtet seine Frau Franza, indem er ihre Psyche bis ins kleinste Detail seziert. Ihrer Würde und Individualität beraubt, setzt Franza ihrem Leben selbst ein Ende. Zusammen mit „Malina“ und „Requiem für Fanny Goldmann“ hätte das Buch Teil des Romanzyklus „Todesarten“ sein sollen. Als eine weitere Wegbereiterin der österreichischen „Frauenliteratur“ wird auch Marlen Haushofer (1920–1970) angesehen. Beziehungslosigkeit, Kälte und die Versuche, aus der traditio­ nellen Frauenrolle auszubrechen, charakterisieren die Frauengestalten ihrer Romane. In „Eine Handvoll Leben“ (1955) verlässt die Frau über Nacht Mann, Sohn, Liebhaber, in „Die Wand“ (1963) tötet die IchErzählerin den als Eindringling in ihre Überlebensversuche wahrgenommenen Mann. In „Himmel, der nirgendwo endet“ (1966) führen Schläge der Mutter und Streitigkeiten zwischen Mutter und Vater zu Selbstverletzungen eines aus der Kindheit vertriebenen Mädchens. Die Schule Die Schule als Erziehungsinstitution wird ein weiteres wichtiges Thema der schreibenden Frauen. „Die Kloster- schule“ (1968) von Barbara Frischmuth (*1941) zeigt die Erziehungsmethoden und Rollenvorbereitungen einer Internatsschule für Mädchen (9) . Die Mütter Eines der großen Themen der Frauenliteratur ist die Darstellung der Erziehungsproblematik: Wie werden Mädchen auf ihre Rolle in der Gesellschaft vorbereitet, welche Rollen sollen sie spielen? Die wichtigste Erziehungsinstitution ist zunächst die Familie. Die psychische Zerstörung der Tochter durch ihre Mutter, als „In- quisitor und Erschießungskommando in einer Person“ vorgestellt, ist das Thema von Elfriede Jelineks 1983 erschie­ nenem Roman „Die Klavierspielerin“ (10) . Waltraud Anna Mitgutsch (*1948) schildert in ihrem Roman „Die Züchtigung“ (1985) über drei Generationen hinweg die Ausweglosigkeit von Frauen, welche den Druck der INFO Schreibende Frauen – noch immer nicht selbstverständlich Die Autorin Renate Welsh, Ihnen vielleicht als Jugendbuchautorin bekannt, berichtet: „ ‚Du schreibst also Bücher‘, sagte ein Mädchen bei einer Lesung zu mir. ‚Erlaubt das denn dein Mann?‘ “ – Über die schwierigen Lebensbedingungen von Autorinnen informiert Sie das Buch „FrauenSchreiben. Gespräche mit 17 österreichischen Auto­ rinnen“, herausgegeben von Anita C. Schaub (2004). Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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