Literaturräume, Schulbuch
Josef Winkler (*1953), wie „Menschenkind“ (1979), „Der Ackermann aus Kärnten“ (1980), „Muttersprache“ (1982), „Der Leibeigene“ (1987). Hinzu kommt in Winklers Werk, ausgehend von persönlichen Erfahrungen, die Darstellung der Schwierigkeiten homosexueller Lebensformen in der ländlichen Welt. Die unterdrückten und enttäuschten „Helden“ in den Romanen von Gernot Wolfgruber (*1944) stammen aus dem Lehrlings- und Arbeitermilieu. Ihre Träume von Aufstieg und Selbstständigkeit zerplatzen in „Auf freiem Fuß“ (1975), „Herren jahre“ (1976) und „Verlauf eines Sommers“ (1981). Im Mittelpunkt des siebenteiligen Romanzyklus „Die Archive des Schweigens“ (1977–91) von Gerhard Roth (*1942) steht die Aufarbeitung der Vergangenheit im heutigen Österreich. Roth verpackt sein Anliegen oft in die Form eines Kriminalromans. Als „ein Verbrechen-Aufdecken, das hinter der Sprache liegt“ bezeichnet Roth seine Arbeit. Worum es ihm geht, ist, „einen Roman über Österreich zu schreiben, über den offen liegenden Wahnsinn der österreichischen Geschichte und den versteckten des österrei- chischen Alltags“. Österreichkritik im Aufmerksamkeitsboom Die literarische Kritik an Politik und Staat hatte bisher meist nur die zahlenmäßig geringen Schichten der Theaterbesucher und tatsächlichen Leserinnen und Leser erreicht. Die Kritik, die Autoren und Autorinnen wie Thomas Bernhard oder Elfriede Jelinek in ihren Werken äußern, ereiferte jedoch nahezu die gesamte Öffentlich keit. Leser- und Nicht-Leser, Medien und die Politik nahmen Stellung – zumeist negativ. Leserbriefseiten strotzten von Vokabeln wie „Nestbeschmutzer“, „Vernaderer“, „Gesindel“. Es hagelte „Ratschläge“, wie gut aufgehoben Thomas Bernhard in der Psychiatrie sei. Eine sachliche Auseinandersetzung mit der literarischen Arbeit fehlte meist. Mit dem Roman „Auslöschung“ von Thomas Bernhard (1931–89) (7) und dem Drama „Ein Sportstück“ (1998) von Elfriede Jelinek (*1946) wird Ihnen diese kritische Literatur erläutert (8) . „Frauenliteratur“ Literatur von Frauen für Frauen und Männer 1981 erscheint unter dem Titel „Auf/Schrei/ben“ imWiener Frauenverlag eine Anthologie mit ausschließlich von Frauen geschriebenen Texten. „AUFSCHREIE und AUFGESCHRIEBENES“ , so die Herausgeberin Elfriede Haslehner, sollte dieser Band präsentieren. Haslehners Anliegen ist charakteristisch für eine Literatur, die oft mit dem Begriff „Frauenliteratur“ bezeichnet wird und ab den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts große literarische Aufmerksam keit erlangt. Kennzeichen nahezu aller dieser Texte ist, dass sie in der persönlichen Erfahrung und Betroffenheit der Autorinnen wurzeln. Barbara Frischmuth, eine der in den 70er- und 80er-Jahren erfolgreichsten Vertrete rinnen der österreichischen „Frauenliteratur“, sieht den Zusammenhang zwischen persönlicher weiblicher Erfah rung und Schreiben als neue literarische Herausforderung: „Das Experiment besteht für mich darin, zu sehen, was dabei herauskommt, wenn Frauen schreiben, wenn sie ihr Geschlecht und den dadurch geprägten Sehakt in die Literatur einbringen.“ Die Aspekte dieses „weiblichen Sehaktes“ sind vielfältig. Zum Thema werden die Suche nach weiblicher Selbstbestimmung, die Darstellung der weiblichen Sexualität, die Kritik an den Erziehungs- institutionen wie Schule und Familie oder die Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt. Deshalb ist die von Frauen verfasste Literatur häufig geprägt von autobiographischen Elementen, von Aufklärung oder Abwehr. Sie richtet sich gerade deshalb nicht nur an die Frauen, sondern gerade auch kritisch an die Männer. „Frauenliteratur“: kein unumstrittener Begriff Manche Autorinnen wollen ihre Werke nicht als „Frauenliteratur“ bezeichnet sehen. Sie lehnen den Begriff ab mit dem Hinweis, dass kaum jemand auf die Idee käme, von einer „Männerliteratur“ zu sprechen. Für sie gibt es eine von Männern geschriebene Literatur und eine von Frauen geschriebene. Beide sind so vielfältig, dass man sie nicht mit einer simplifizierenden Etikette bekleben dürfe. Manche Autorinnen bemängeln überdies, dass mit diesem Begriff die persönliche Situation der Autorinnen – ihr „Anderssein“ und persönliches „Frausein“ – als in teressanter wahrgenommen werde als die literarische Qualität der Werke. Die Befürworterinnen betonen, dass der Begriff auf die lange Ausgrenzung der Frauen aus der Literaturgeschichte hinweisen soll. Auch heute sei das Schreiben von Frauen noch immer keine Selbstverständlichkeit. Deshalb müsste der Begriff so lange verwendet werden, bis es nicht mehr nötig ist, von „Frauenliteratur“ zu sprechen, da sowohl das Schreiben von Frauen als auch die darin thematisierten Anliegen dann als akzeptiert gelten können. 367 die literaturübersicht Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des V rlags öbv
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