Literaturräume, Schulbuch
366 DIe gegenWartslIteratur – mIt österreIchschWerpunkt bezeichnet wurden. Beides täuschte zumindest anfangs die Erwar tungshaltungen der Öffentlichkeit, die Mundart und „Volksstück“ häufig mit schwankhafter Heiterkeit auf der Bühne verband. Die Autoren/Autorinnen knüpften allerdings viel eher an die sozial kritischen „Volksstücke“ von Ödön von Horváth an als an das Schwanktheater ländlicher Laienbühnen. Als Beispiel für diese „Schockdramen“ finden Sie „Sauschlachten“ von Peter Turrini (*1944) (3) . Das Problem der Provokation: die Gewöhnung Theater, das auf Provokation setzt, hat dasselbe Problem wie jedes Medium, das mit starken Reizen arbeitet: Das Publikum stumpft ab und gewöhnt sich. Was früher als Skandal galt, wird später ge feiert. Deutlich wird dies an der Rezeption der „Fäkaliendramen“ von Werner Schwab (1958–94) – der Titel stammt nicht von ver störten Kritikern/Kritikerinnen, sondern vom Autor selbst (4) . Diese sprachlich und thematisch an Tabuzerstörung weit über die Schockdramen von Turrini, Kroetz, Mitterer hinausgehenden Stücke wurden auch in Medien, die jene Autoren einst heftig atta ckiert hatten, zwar kritisch rezensiert, aber selten gehässig herun tergemacht. Ohne Zweifel trägt zur Akzeptanz der Tabubrüche auf dem Theater auch die Tendenz der Medien bei, ihre Tabugrenzen immer mehr abzubauen – Stichwort Realityshows, Talkshows oder Kriegsberichterstattung im Fernsehen. Provokation im Taschenformat Die Skepsis vieler Autorinnen und Autoren, ob und inwieweit Literatur gesellschaftlich wirken könne, wirkt sich auch in anderer Form auf das Theater aus. Formen wie die auf sprachliche und inhaltliche Verblüffung setzenden Minidramen werden wieder beliebt. Als Beispiele dafür steht „Lehrer im Alltag“ , eines der kurzen „Dramolette“ von Antonio Fian (*1976) (5) . Literarische Österreichkritik Kritik an Österreich hat Tradition Dass österreichische Autorinnen und Autoren als Kritiker ihres Landes auftreten, ist nicht neu. Grillparzer hatte gegen das Aufführungsverbot seines Dramas „König Ottokars Glück und Ende“ mit den „Kritischen Briefen“ protestiert und die Behörden mit überlegenem Witz lächerlich gemacht. Nestroys Drama „Freiheit in Krähwin kel“ hatte sich mutig gegen den HabsburgerAbsolutismus gewandt, der Autor war nur knapp dem Gefängnis entkommen. „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus hatten die Kriegshetze der Monarchie angegrif fen, viele Aufsätze aus seiner Zeitschrift „Die Fackel“ stellten höchste Repräsentanten der Ersten Republik an den Pranger. Ernst Jandl hatte in „Heldenplatz“, einem der berühmtesten Gedichte der modernen österreichischen Literatur, die Bereitschaft vieler Österreicher demaskiert, sich von der NSDemagogie blenden zu lassen. „Anti-Heimat par excellence“ Mit diesen scharfen Worten qualifiziert, ohne Zweifel sehr plakativ, der Essayist Robert Menasse in seinem Essay „Das Land ohne Eigenschaften“ (1992) seine Heimat Österreich. Insbesondere in den 70erJahren war von der Literatur am idyllischen Heimatbild des ländlichen Raumes gekratzt worden. Franz Innerhofer (1944–2002) schildert in „Schöne Tage“ (1974) aus der Perspektive eines unehelichen Kindes, das zugleich als Dienstbote und „Leibeigener“ gehalten wird und zum Bettnässen Zuflucht nimmt, die unterdrückende Welt der Bauern der 50er und 60erJahre (6) . „Schattseite“ (1975) und „Die großen Wörter“ (1977) beschreiben die enttäuschende Flucht vom Bauernhof in das Dorf und in die Stadt. Unterdrückung, Tod, Zerfall herrschen auch in den Romanen von INFO Wo finde ich Rezensionen, Buchkritiken, Verfilmungen? Tipp 1: Für Erstinformationen und als Anstoß zum Weiterlesen – oder zur Wahl eines anderen Werkes – eignen sich oft Rezensionen. Für die moderne österrei chische Literatur sehr empfehlenswert sind zum Beispiel die Seiten http://www. literaturhaus.at/buch/buch/rez und http://www.ogl.at/OGLLink/. Für die gesamte deutschsprachige Literatur finden Sie Rezensionen unter http:// www.literaturkritik.de/public/welcome. php, zusammengefasste Rezensions ausschnitte unter http://www.perlen taucher.de. Auch die Seiten der OnlineBuchhändler und der großen Zeitungen bieten laufend Rezensionen. Tipp 2: Für die Suche nach Verfilmungen literarischer Werke eignet sich gut die Seite http://uk.imdb.com/titlesearch. html. Unter http://uk.imdb.com/ namesearch.html können Sie sogar speziell nach in einem Film vorkom menden Personen oder nach Charakte ren suchen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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