Literaturräume, Schulbuch
34 DIe lIteratur Des hohen mIttelalters (1170–1250) Das Wild und die Kriechtiere, die führen heftige Kämpfe, ebenso halten es die Vögel untereinander, nur, dass sie in einem eines Sinnes sind, – sie wären anders nicht lebensfähig – sie schaffen gute Regierungen, sie setzen Könige und Rechtsordnungen ein und unterscheiden Herren und Knechte. Dagegen – weh Dir, deutsches Volk, wie steht es um Deine Ordnung, während nun die Mücke ihren König hat, aber Deine Ehre so ganz schwindet! Bekehre Dich endlich, bekehre Dich! […] INFO 1204: Papst Innozenz und Philipp Trotz Unterstüt zung des Papstes bricht Ottos Herrschaft zusam men. Der Papst und Otto erkennen Philipp an. 1208: Philipp und Otto Aus privaten Gründen wird Philipp ermordet, Otto als Herrscher anerkannt. Er bedroht jedoch päpstliche Interessen in Italien und wird nun selbst von Papst Innozenz gebannt. 1212: Innozenz und Friedrich Der Papst lässt Friedrich, den Sohn Heinrichs des VI., inzwischen 18jährig, als Friedrich II. zum Gegenkönig wählen. 1214: Friedrich In der Schlacht von Bouvines schlagen die Staufer Otto und sichern ihre Macht. 10 12 14 16 18 20 7 Betrug und List, Rache und Untergang Das Nibelungenlied (um 1205) Berühmt und abgelehnt, missbraucht und rätselhaft Kein literarisches Werk des Mittelalters ist von Politik und Ideologie so gebraucht und missbraucht worden wie das „Nibelungenlied“. Auch die Wissenschaft tut sich schwer, dieses Werk voll Rache, List, Kampf und Betrug, die so gar nicht zu den Idealen der höfischen Zeit passen, plausibel einzuordnen. Hier einige Kommentare zum Nibelungenlied: Der Literaturliebhaber Friedrich der Große an den ersten Herausgeber des Nibelungenliedes: „Ihr urtheilt viel zu vorteil- hafft von denen Gedichten aus dem 12., 13. und 14. Seculo […]. Meiner Einsicht nach sind solche nicht einen Schuss Pulver werth; und verdienten nicht aus dem Staube der Vergessenheit gezogen zu werden. In meiner Bücher-Sammlung wenig- stens würde Ich dergleichen elendes Zeug nicht dulten; sondern herausschmeißen.“ (In Originalschreibung) Der Dichter Heinrich Heine an einen französischen Leser: „Jedenfalls ist aber dieses ,Nibelungenlied‘ von großer, gewal- tiger Kraft. Ein Franzose kann sich schwerlich einen Begriff davon machen. Und gar von der Sprache, worin es gedichtet ist. Es ist eine Sprache von Stein, und die Verse sind gleichsam gereimte Quadern. […] Von den Riesenleidenschaften, die sich in diesem Gedichte bewegen, könnt ihr kleinen, artigen Leutchen euch noch viel weniger einen Begriff machen.“ Der NSPolitiker Göring, der den Untergang einer ganzen Armee in Stalingrad im Winter 1942/43 in den „größten He- roenkampf unserer Geschichte“ umfälschte: „Wir kennen ein gewaltiges Heldenlied von einem Kampf ohnegleichen, es heißt ,Der Kampf der Nibelungen‘. Auch sie standen in einer Halle voll Feuer und Brand, löschten den Durst mit dem eige- nen Blut, aber sie kämpften bis zum Letzten. Ein solcher Kampf tobt heute dort, und noch in tausend Jahren wird jeder Deutsche mit heiligem Schauer von diesem Kampf in Ehrfurcht sprechen und sich erinnern, dass dort trotz allem Deutsch- lands Sieg entschieden worden ist.“ Der Germanist Joachim Bumke, einer der besten Kenner des Textes: Das Nibelungenlied „liefert ein bedrückend nega- tives Gesellschaftsbild. […] Positive Gegenkräfte sind nicht zu erkennen. Mord, Betrug, Hass, Rache, Machtgier und Hinter- list bestimmen die Handlung vom Anfang bis zum Schluss.“ AUFGABE > Besuchen Sie die Seiten http://www.liberley.it/w/walther − v.htm; Sie finden dort sämtliche WaltherGedichte in Originalsprache. Alle Porträts der Heidelberger Liederhandschrift, auch Codex Manesse genannt, kann man unter http://digi.ub.uniheidelberg.de/cpg848 downloaden. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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