Literaturräume, Schulbuch
306 die literatur zwischen 1925 und 1945 Präparator: Da sind Sie ja, Sie Betrügerin Sie! Sie Hochstaplerin Sie! Ihr Vater ist ja gar kein Zollinspektor. Wenn Sie mir das gleich gesagt hätten, dass er kein Zollinspektor ist, sondern bloß so ein Versicherungsinspektor, ja glaubens denn, ich hätte Ihnen hernach eine Existenz verschafft? Elisabeth: Aber das hab ich doch niemals be- hauptet. Präparator unterbricht sie: Jawohl haben Sie das behauptet! Elisabeth: Nein! Nie! Präparator schlägt mit seinem Spazierstock auf der Prantl ihren Schreibtisch, dass die Geschäftspapiere nur so berumflattern und brüllt: Zollinspektor! Zollinspektor! Zollinspektor! Die Prantl rettet ihre Geschäftspapiere und kreischt: Halt! Halt! Stille. Präparator verbeugt sich chevaleresk zur Prantl und zur Frau Amtsgerichtsrat hin: Entschuldigens meine Herrschaften, dass ich so aus heiterem Himmel, aber neben einem Versicherungsinspek- tor ist ja sogar noch ein lumpiger Oberpräparator eine Kapazität und diese gefährliche Person dort hat mir mein gutes bares Geld herausgelockt – […]. Die Prantl zum Präparator: Nehmen Sie Platz bitte! Präparator: Danke – Er setzt sich. Ich bin nämlich ein herzensguter Mensch, aber ich vertrag es halt nicht, dass man mich belügen tut. Elisabeth: Ich habe nicht gelogen. Die Prantl: Geh so haltens doch endlich den Mund, Fräulein – […] Die Prantl: bietet dem Präparator Zigaretten an: Bitte! Präparator: Ich bin so frei – Er steckt sich eine an, lehnt sich bequem zurück und bläst genießerisch den Rauch von sich. Alsdann meine Herrschaften kommt diese Person da zu mir in die Wohnung, schleicht sich in meine väterlichen Gefühle hinein und ich zeig ihr mein Aquarium und habe ihr ein Buch über Tibet geliehen und obendrein kauf ich ihr auch noch einen Wandergewerbeschein – und derweil ist der ihr Vater gar kein Zollinspektor! Ich habe mich nämlich erkundigt, schon wegen meiner inneren Sicherheit als Mensch, weil sich meine Umgebung immer lustig gemacht hat über mein weiches Herz. Die Prantl: Wandergewerbeschein? Was denn für Wandergewerbeschein? Den hat doch die von mir. Präparator: Was?! Von Ihnen auch?! Die Prantl: Das ist doch der Usus im Betrieb. Die Firma streckt den Angestellten die Möglichkeit zum Arbeiten vor und die Angestellten arbeiten es ab. Hundertfünfzig Mark. Präparator außer sich: Hundertfünfzig Mark?! Stille. Die Prantl: Das ist Betrug. Elisabeth fährt plötzlich los: Ich bin doch keine Betrügerin! Frau Amtsgerichtsrat: Darauf kommt es auch nicht an, Fräulein! Sondern ob der Tatbestand des Betruges erfüllt ist, darauf kommt es an! Sonst würd sich ja die ganze Justiz aufhören! Die Prantl: Richtig. Frau Amtsgerichtsrat: Mich geht es ja nichts an und ich persönlich habe mit dem Gericht gottlob nur insoferner etwas zu tun gehabt, als wie dass ich mit einem Richter verheiratet bin. Aber Sie haben ja Ihren Wandergewerbeschein nicht um das Geld dieses Herrn da gekauft, also – ich höre meinen August schon sagen: Vorspiegelung falscher Tatsachen – Tatbestand des Betruges. Präparator ist verzweifelt in sich zusammengesunken; weinerlich: Ich bin doch ein armer Präparator, der etwas Gutes getan hat – Elisabeth: Herr Präparator! Sie werden Ihr Geld schon wiedersehen. […] Präparator: Wann? Elisabeth: Ich werd es schon abarbeiten. Die Prantl: Wieso? Sie liest aus Elisabeths Bestell buch. Zwei Paar Straps, ein Hüfthalter und ein Korsett. Und höhere Gewalt. Präparator fährt hoch: „Höhere Gewalt“! Betrug! Gebens mir auf der Stell mein Geld zurück, Sie! Elisabeth: Ich habe es jetzt nicht. Die Prantl: Aber Ihren Wandergewerbeschein haben Sie doch von mir! Elisabeth: Das schon. Präparator: Na also! Elisabeth: Aber das Geld von dem Herrn habe ich zu etwas Dringenderem gebraucht. Die Prantl: Das wird ja immer interessanter! Elisabeth: Meinetwegen. Ich habe es zu einer Geldstrafe gebraucht. Präparator wieder außer sich: Was?! Sie haben mit der Justiz schon etwas gehabt?! Eine Vorbestrafte sind Sie also?! Aber Ihnen bring ich noch in das Zuchthaus, das garantier ich Ihnen! Ich war Ihr letztes Opfer! Er rast ab. 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 122 124 126 128 130 132 134 136 138 140 142 144 146 148 150 152 154 156 158 160 162 164 166 168 170 172 174 176 178 180 182 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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