Literaturräume, Schulbuch
295 Das funDament | DIe lIteraturübersIcht DIe lIteraturübersIcht Literatur mit Gebrauchswert Weg vom Pathos Die literarischen Strömungen, die sich in Opposition zu dem ab 1933 in Deutschland herrschenden National sozialismus befinden, lehnen Pathos und Gefühlsbetontheit ab. Das Ziel dieser Literatur, für die sich bald der Begriff „Neue Sachlichkeit“ einbürgert, ist es, die Realität, politische, soziale und wirtschaftliche Umstände und auch die Natur möglichst exakt wiederzugeben. Mit einer betont sachlichen Schreibweise wollte die Literatur auch ein größeres Publikum erreichen. „Einfachheit“ forderte zum Beispiel der Autor Alfred Döblin in seinem Text „Staat und Schriftsteller“: „Es wird […] die Zeit kommen, wo wir einfach werden müssen, viel einfacher, ver- ständlicher […] als wir jetzt sind.“ Auch viele Dichter, die als Expressionisten begonnen hatten, verabschiedeten sich von den Zielen der „Menschheitserlösung“ mit Hilfe der Dichtung: „Die Menschheit ist nicht zu erlösen. […] Nichts mehr von Krieg und Revolution und Welterlösung! Lasst uns bescheiden sein und uns anderen Dingen zuwen- den […], lasst uns ein wenig schauen, und wenn wir können, ein wenig lachen oder lächeln!“ , schreibt der Dichter Paul Kornfeld. Die neuen Medien Zunehmend bedient sich die Literatur der neuen Medien Rundfunk und Film. Die Autoren und Autorinnen sahen in den neuen Medien die Chance auf eine Demokratisierung der Kultur. Mit dem Rundfunk entstanden neue Gattungen wie Hörspiel und Reportage. Kleinere literarische Formen wie Gedichte, Essays, kurze Er zählungen wurden begünstigt. Allerdings erfüllten sich die Hoffnungen der Autoren/Autorinnen auf eine neue Kommunikation zwischen Literatur und Publikum nur zum Teil. Die Filmproduzenten verfolgten primär kommerzielle Interessen und setzten auf „leichte“ Unterhaltungsstoffe, die viele Zuschauer brachten. Der Rund funk wurde durch politische Vorzensur kontrolliert und mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten gänz lich zum Propagandainstrument degradiert, auch wenn er im offiziellen Parteijargon als „Hauptmittel der Volks- aufklärung“ bezeichnet wurde. 50 Jahre später – Thomas Bernhard: „Heldenplatz“ (1988) INFO Schauplatz von Bernhards Drama ist eine Wohnung mit Blick auf den Heldenplatz. Der jüdische Professor Schuster musste 1938 emigrieren, kehrte nach dem Krieg wieder nach Wien zurück, möchte allerdings mit seiner Frau nun wieder nach England gehen. Doch vor der Abreise nach England begeht Schuster Selbstmord. Während des Leichenmahls hört Frau Schuster wieder die Schreie der Massen bei Hitlers Ankunft auf dem Heldenplatz und bricht tot zusammen. „Heldenplatz“ wurde einer der größten und umstrittensten Erfolge des mit Bernhard eng verbundenen Burgtheaterdirektors Claus Peymann. 6 8 10 12 14 verwogener stirnscheitelunterschwang nach nöten nördlich, kechelte mit zu-nummernder aufs bluten feilzer stimme hinsensend sämmertliche eigenwäscher. pirsch! döppelte der gottelbock von Sa-Atz zu Sa-Atz mit hünig sprenkem stimmstummel balzerig würmelte es im männchensee und den weibern ward so pfingstig ums heil zumahn: wenn ein knie-ender sie hirschelte. AUFGABEN > Wählen Sie in der Gruppe einige Wortneuschöpfungen Jandls aus und notieren Sie, welche Assoziationen Sie dazu haben! Beziehen Sie dabei den Gedichttitel und die geschichtliche Situation mit ein! > Welche Wortneuschöpfungen würden Sie den Wortfeldern Religion, Jagd, Sexualität, TierischTriebhaftes zuordnen? > Welche Reimform verwendet Jandl? Beachten Sie dazu z. B. den Vers „zu heften heftig sich versuchten, hoffensdick“. Welche historischen Gründe könnten Jandls Wahl der Reimform bestimmt haben? (Ver gleichen Sie dazu eventuell den Abschnitt „Die Literatur des frühen Mittelalters“!) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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