Literaturräume, Schulbuch

DIe lIteratur zWIschen 1925 unD 1945 Literatur zwischen Warnung, Widerstand und Anpassung Mitte der 20er-Jahre haben sich das Pathos des Expressionismus, der Glaube an den „neuen Menschen“ und der kabarettistische Schwung des Dadaismus verbraucht; Nüchternheit und Distan­ zierung kennzeichnen die Literatur. 1933 Mit dem Beginn der NSDiktatur setzt eine große literarische Zäsur ein; eine Reihe der bedeutendsten Autoren und Autorinnen wird ins Exil oder in die innere Emigration gezwungen. 1945 Neubeginn der Literatur nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs, der Massentötungen und der Atombomben­ abwürfe. 293 Das funDament Totalitäre Ideologien drohen von links und rechts Auseinandersetzungen und Gegensätze in Politik und Literatur Umstürze in Europa, wirtschaftliche Not, Arbeitslosigkeit, Weltwirtschaftskrise und das Aufkommen totalitärer politischer Ideologien wie Kommunismus und Nationalsozialismus kennzeichnen die Zeit. Diesen Themen kann sich auch die Literatur nicht entziehen. Je nach Weltanschauung der Autoren und Autorinnen fällt die Stellung­ nahme der Literatur jedoch völlig unterschiedlich aus. Sie kämpft gegen die totalitären Ideologien oder vertei­ digt sie. Sie bringt nostalgische Erinnerungen an die verlorene alte Zeit oder versucht sich in eine geschützte Innerlichkeit zurückzuziehen. Sie ruft dazu auf, das rationale Denken und die Humanität nicht aufzugeben, oder propagiert im Gegensatz dazu pseudowissenschaftliche Begriffe wie Rasse, Blut und Boden. Irrationalismus und Verführung kontra Vernunft und Denken Die heraufkommende Ideologie des Nationalsozialismus stützte sich auf die Verachtung von Vernunft und ratio­ nalem Denken. Intellekt und kritischer Verstand wurden als „dekadent“ und „zersetzend“ angesehen, abstrakte Kunst als „entartet“ etikettiert. Vom Irrationalen her, von „Blut und Boden“, von der „gesunden“ Rasse‚ sollte politische und gesellschaftliche Erneuerung kommen. Diese Verachtung der Vernunft hinderte das NSRegime allerdings nicht, Verstand und Denken zu instrumentalisieren, um Krieg und Völkermord bis ins Detail rational zu planen und auszuführen. Der Nationalsozialismus griff zurück auf „nordische“, germanische und mittelalter­ liche Traditionen und auf Nietzsches „Übermenschen“, verdrehte und missbrauchte sie. Die Strömungen, die den Nationalsozialismus bekämpften oder zumindest ablehnten, versuchten, der auf Emotionen, Massenhysterie und Todeskult aufgebauten NSIdeologie vernünftiges Denken entgegenzustellen und die Tradition der Aufklä­ rung fortzusetzen. Während der Nationalsozialismus die Geschichte unter Vergröberung der Ideen Darwins und unter dem Einfluss des ge­ schichtsphilosophischen Werkes „Der Untergang des Abendlandes“ von Oswald Spengler (entstanden 1918–22) als schicksalhaften „Kampf ums Überleben“‚ auffasste, den die „stärkere“ Rasse gewinnen würde, appellierten die Gegner an Toleranz und Vernunft. Zwei große Dichter auf entgegengesetzten Seiten: Thomas Mann und Gottfried Benn Zwei Autoren sollen Ihnen die elementare geistige Auseinanderset­ zung der Zeit vermitteln, Thomas Mann als Repräsentant der Vernunft und Aufklärung und Gottfried Benn als Vertreter des Irrationalismus. Mann formulierte in seinem Aufruf „Deutsche Ansprache. Ein Appell an die Vernunft“ (1930) eine der ersten literarischen AuseinandersetThomas Mann Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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