Literaturräume, Schulbuch

26 DIe lIteratur Des hohen mIttelalters (1170–1250) AUFGABEN > Klassifizieren Sie diese Ratschläge nach folgenden Gesichtspunkten: Engagement gegenüber sozial Benachteiligten; Engagement für Standesgenossen; Verhalten gegenüber Unterlegenen; Umgang mit Besitz und Vermögen; Regeln für den Umgang mit anderen im Alltag; Hygieneregeln; Verhalten gegenüber den Frauen! > Welche Gefahren des Lebens im Hochmittelalter werden in diesem Belehrungskatalog sichtbar? > Welche Werte werden als besonders wichtig empfunden? Wenn Ihr sie belügen wollt, da könnt Ihr viele leicht betrügen! Doch Betrug ist nicht von Dauer – anders als der Ruhm, die Liebe. Den Mann der Seitensprünge klagt das dürre Holz im Walde an, weil es zerbricht und dabei knackt – ei, und schon wacht der Wächter auf! Höflichkeit statt Menschlichkeit Auf seinen Abenteuerfahrten kämpft Parzival erfolgreich für die in ihrer Burg von einem Heer bedrängte Königin Condwiramurs und heiratet sie. Bei einem Ausritt gerät er auf den Weg zur Gralsburg. Der Empfang ist herzlich. Prächtigste Bewirtung, Gespräche, Geschenke für Parzival von der ver­ sammelten Gralsritterschaft, edle Knappen, schönste Jungfrauen und der kranke, von einem Speer verwundete Gralskönig Amfortas, Parzivals Onkel, kennzeichnen den Abend. Amfortas’ Wunde ist unheilbar, er kann aber auch nicht sterben, weil der Gral ihm wie jedem anderen Gralsritter ewiges Leben gibt. Parzival genießt den wunderbaren Empfang. Vor dem Mahl wird eine blutende Lanze durch den Raum getragen, was von der versammelten Hof­ gesellschaft mit lautem Klagen begleitet wird. Dann tragen 24 junge Edel­ frauen das kostbare Tischgedeck auf, schließlich wird von der Königin Re­ panse de Schoye der Gral hereingetragen, bei Wolfram ein Stein, der wie ein „Tischleindeckdich“ Speisen und Getränke hervorbringt. Und am Ende be­ kommt Parzival vom Burgherrn dann noch dessen eigenes kostbares Schwert geschenkt – ein letzter Versuch, den schweigsamen Ritter zu einer Nachfrage zu ermuntern, mit der er den kranken König Amfortas erlöst hätte: Parzival nahm alles wahr: den Luxus und das große Wunder – er wahrte die Form und fragte nicht. Er dachte: „Gurnemanz empfahl – und das war ihm völlig ernst – ich soll nicht viele Fragen stellen. Vielleicht bleib ich so lange hier, wie ich bei ihm geblieben bin – dann krieg ich raus, auch ohne Frage, was mit den Leuten hier los ist.“ Bei dieser Überlegung kam ein Page, trug ein Schwert herein. Der Wert der Scheide: tausend Mark; der Griff des Schwertes: ein Rubin; die Klinge: sie war ganz gewiss der Anlass wahrer Wundertaten. Der Burgherr reichte es dem Gast und sagte: „Herr, ich trug es oft im Kampfgetümmel, eh mich Gott an meinem Leib verstümmelt hat. Es möge Euch entschädigen, falls wir’s an etwas fehlen ließen. Ihr müsst es immer bei Euch tragen. Wenn Ihr es auf die Probe stellt: Ihr seid im Kampf damit beschützt.“ Ein Unglück, dass er jetzt nicht fragte! Noch heut leid ich dran – für ihn! Denn als man ihm das überreichte, war dies ein Wink: er sollte fragen. Der Burgherr tut mir gleichfalls leid, weil er ein schweres Schicksal hat – die Frage hätte ihn erlöst. Man hatte jetzt genug serviert – wer im Dienst war, packte zu […] Und trug die Tische wieder raus. 36 38 40 42 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 INFO Die Literatur des Mittelalters in modernen Übertragungen Wolframs „Parzival“ in neuhochdeutscher Übertra­ gung ebenso wie „Tristan“, die Lieder der Minnesänger Neidhart von Reuental und Oswald von Wolkenstein finden Sie zum Beispiel in den (Taschen)büchern von Dieter Kühn. Eine moderne, spannend zu lesende und doch sehr textgetreue Nacherzählung des „Tristan“ bietet der deutsche Autor Günter de Bruyn in „Tristan und Isolde“. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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