Literaturräume, Schulbuch
mich wirklich zurückhalten, dass ich nicht schrei’ oder aufs Billard spring’ … […] Ich glaub’, so froh bin ich in meinem ganzen Leben nicht gewesen …Tot ist er – tot ist er! Keiner weiß was, und nichts ist g’scheh’n! – Und das Mordsglück, dass ich in das Kaffeehaus gegangen bin … sonst hätt’ ich mich ja ganz umsonst erschossen – es ist doch wie eine Fügung des Schicksals … […] – Also, tot ist er – tot ist er – ich kann’s noch gar nicht glauben! Am liebsten möcht’ ich hingeh’n, um’s zu seh’n. – – Am End’ hat ihn der Schlag getroffen aus Wut, aus verhaltenem Zorn … Ah, warum, ist mir ganz egal! Die Hauptsach’ ist: er ist tot, und ich darf leben, und alles g’hört wieder mein! … Komisch, wie ich mir da immerfort die Semmel einbrock’, die mir der Herr Habetswallner gebacken hat! Schmeckt mir ganz gut, Herr von Habetswallner! Famos! – So, jetzt möcht’ ich noch ein Zigarrl rauchen … 255 Der leseraum 2 „Ohne Hilfsmittel nicht zu erraten, was der Dichter sagen wollte“ Hugo von Hofmannsthal: „Terzinen über Vergänglichkeit“ (1894) und „Ein Brief“ (1902) Hofmannsthals schwierige Lyrik Die Gedichte Hugo von Hofmannsthals zählen zu den berühmtesten der Wiener Moderne, aber auch zu den oft am schwierigsten deutbaren. Der Autor Robert Musil äußerte in seinem Essay „Literat und Literatur“ (1931) zu Hofmannsthals Lyrik, es sei nicht immer „ohne Hilfsmittel zu erraten, was der Dichter eigentlich sagen wollte. […] Die Verse sind […] nicht schön, weil sich Hofmannsthal sicher etwas dabei gedacht hat, sondern sie sind es, obwohl man sich nichts denken kann.“ Der Vorrang der Sprache, ihres Klangs, ihrer Bilder bestimmen diese Gedichte. „L’art pour l’art“ ist ihr Prinzip. „Die Worte sind alles […]. Es führt von der Poesie kein direkter Weg ins Leben“ , so schrieb Hofmannsthal selbst. Das folgende Gedicht zählt nicht zu den „schwie rigsten“, ein nicht eindeutig auflösbarer Rest bleibt allerdings mit Sicherheit. Es handelt sich dabei um die erste der drei „Terzinen über Vergänglichkeit“. Noch spür ich ihren Atem auf den Wangen: Wie kann das sein, dass diese nahen Tage Fort sind, für immer fort, und ganz vergangen? Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt, Und viel zu grauenvoll, als dass man klage: Dass alles gleitet und vorüberrinnt. Und dass mein eignes Ich, durch nichts gehemmt, Herüberglitt aus einem kleinen Kind Mir wie ein Hund unheimlich stumm und fremd. Dann: dass ich auch vor hundert Jahren war Und meine Ahnen, die im Totenhemd, Mit mir verwandt sind wie mein eignes Haar, So eins mit mir als wie mein eignes Haar. Hugo von Hofmannsthal 2 4 6 8 10 12 42 44 46 48 50 52 54 56 58 AUFGABE > Erstellen Sie eine Charakteristik Gustls, zum Beispiel in Form des inneren Monologs: „Der Leutnant Gustl, also … ich weiß nicht, also besonders sympathisch ist der Kerl nicht; na ja sicher, ausgeliefert diesen Begriffen der Zeit; lächerlich, das mit dem Säbel, überhaupt der Säbel, diese Prestigesymbole …“! AUFGABEN > In welchen Strophen finden sich folgende Inhalte: – Erinnerung an eine angenehme Zeit in Gegenwart einer geliebten Person; – Schock durch das plötzliche Aufhören einer Situation, die eben noch war, nicht mehr ist und nicht mehr so sein wird; Einsicht, dass Vergänglichkeit eine Grundbedingung des Lebens ist; – Fremdheit gegenüber sich selbst und seinen früheren Lebensphasen. > Schlagen Sie nach, was eine Terzine ist! Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=