Literaturräume, Schulbuch
22 DIe lIteratur Des hohen mIttelalters (1170–1250) Der leseraum 1 Von der Schwierigkeit, richtig zu leben Hartmann von Aue: „Erec“ (um 1190) und „Iwein“ (um 1205) Hartmann, ein Literaturstar Hartmann führt die Welt des Königs Artus in die deutsche Literatur ein, sein Artusroman „Iwein“ ist in der hohen Zahl von 25 Hand schriften überliefert, er ist der einzige Epiker, der es auf vier vollstän dige Epen bringt, und er nennt sich selbstbewusst in allen seinen Wer ken als Verfasser. Dichterkollegen beziehen sich in ihren Epen auf seine Werke und rühmen ihn als den besten unter den lebenden Autoren: „Wer gute Dichtung zu schätzen weiß und sie auch zu verstehen imstan- de ist, der muss Hartmann Siegeskranz und Lorbeer überlassen“ , so sein Dichterkollege Gottfried von Straßburg. Hartmann ist der erste „Star“ der deutschen Literatur. „Erec“: auf den ersten Blick eine simple Handlung Hartmanns „Erec“, entstanden zwischen 1180 und 1190, nimmt ein in der Literatur bis heute beliebtes Motiv auf: Ein „Held“ begibt sich in Gefahren, meistert sie und gewinnt eine schöne Frau. Erec, Ritter der Tafelrunde des König Artus, wird beleidigt, rächt die „schande“ in vie len Abenteuern, gewinnt „êre“ und entbrennt in „minne“ zu Enîte, die jung und schön, aber arm ist. Erec „verliegt“ sich Die eigentliche Geschichte Erecs und Enîtes beginnt jedoch dort, wo triviale Literatur endet, beim Happyend der Hochzeit. Erec vergisst, dass ein Ritter nicht nur der Dame dienen soll, sondern sich in der Welt bewähren muss. Hartmanns Epos zeigt auch zwei Fragen unserer modernen Gesellschaft auf: die Frage nach der Vereinbarung von Privatleben und Beruf und das Problem, dass eine enge Partnerschaft zur Abschottung von den anderen führen kann. Das Vergessen der Ritterpflichten regt Erecs Freunde auf, Enîte hört das Getuschel: Nû kam ez alsô nâch ir site daz er umbe einen mitten tac an ir arme gelac. […] si wânde daz er sliefe. einen sûft nam si tiefe unde sach in vaste an. si sprach: „wê dir, dû vil armer man, und mir ellendem wîbe, daz ich mînem lîbe sô manegen vluoch vernemen sol.“ dô vernam Êrec die rede wol. […] Als er vernam diu mære waz diu rede wære er sprach: „der ist genuoc getân.“ zehant hiez er si ûf stân, daz si sich wol kleite unde ane leite daz beste gewæte daz si iender hæte. sînen knaben er seite daz man im sîn ros bereite. Hartmann von Aue INFO König Artus und die Artusepik König Artus (Arthur) wird in lateinischen Chroniken als „Dux Britannorum“ aus dem 6. Jahrhundert erwähnt. Allerdings sind die Historiker nicht sicher, ob er eine geschichtliche Figur ist. Manche meinen, dass es sich um einen übertragbaren Ehrennamen handle, der sich aus dem keltischen „art“ (Bär) und dem lateinischen „ursus“ zusammensetzt. Die Figur des Königs Artus wurde in der Literatur des Mittelalters zum vorbildhaften Ritter stilisiert, der sich in seiner Tafelrunde mit erlesenen Helden umgibt (Iwein, Erec, Lancelot, Gawain) und das ideale höfische Leben präsentiert. An seinem Hof in Camelot finden sich auch der Zauberer Merlin und Parzival ein. Auch andere keltische Stoffe wurden mit Artus in Verbin dung gebracht, wie das Motiv von Tristan und Isolde. Der einflussreichste literarische Gestalter der ArtusStoffe ist der Franzose Chrétien de Troyes (um 1150 bis 1190). 16 18 20 2 4 6 8 10 12 14 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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