Literaturräume, Schulbuch

212 Der poetIsche realIsmus (1850–1900) Die Klassik boomt Im Bürgertum boomte im Zusammenhang mit dem Bewahren der kulturellen Tradition die Klassikerlek­ türe. Begünstigt wurde dies durch eine wirtschafts­ politische Entscheidung. 1867 trat ein Gesetz in Kraft, wonach rückwirkend das urheberrechtliche Nachdruckverbot von Werken nach 30 Jahren er­ losch. Durch diese Regelung wurden nun die Werke der Klassiker frei druckbar. Das brach vor allem das Monopol des beherrschenden Klassikerverlages Cot­ ta. Eine ganze Reihe von Verlagen beteiligte sich am Konkurrenzkampf um die Klassiker. Günstige Ausga­ ben kamen auf den Markt. Als langfristig erfolg­ reichstes Unternehmen erwies sich Reclams Univer­ sal Bibliothek. Der erste Titel war Goethes „Faust I“, von dem innerhalb von 4 Monaten 20.000 Exemplare verkauft wurden. Durchschnittsauflagen „anspruchs­ vollerer“ Literatur beliefen sich damals auf 750 Stück. Heute wird „Faust I“ durchschnittlich 75.000mal pro Jahr als „Reclamtext“ verkauft. Leseschranken Die Hoffnungen liberaler Kräfte, durch billige Klassikerausgaben auch über das Bürgertum hinaus Leser/Lese­ rinnen zu erreichen, erfüllten sich allerdings nur zögernd. Konservative Politik machte heftig Propaganda gegen das „schädliche“ Lesen. Dies verschlimmerte zusätzlich die ohnehin sehr begrenzte Lesefähigkeit außerhalb des Bürgertums. Überdies bewirkten die wirtschaftlichen Bedingungen, dass auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahr­ hunderts viele Arbeiter/Arbeiterinnen nur mit Mühe lesen konnten. Anspruchsvolle Literatur blieb somit den Wohlhabenden vorbehalten. Der Abschied vom Idealismus: Feuerbach, Schopenhauer, Darwin Feuerbach: Der Mensch hat Gott erschaffen, nicht umgekehrt Ludwig Feuerbach (1804–72) geht davon aus, dass der Mensch unvollkommen ist, gegenüber vielen Herausfor­ derungen ohnmächtig, sündhaft. Doch der Mensch möchte allen Herausforderungen gewachsen, positiv und vollkommen sein. Das, was er sein möchte, projiziert er auf einen Begriff, den er „Gott“ nennt. Gott ist für Feuerbach ein Produkt der psychischen und physischen Situation des Menschen. Nicht Gott hat also den Menschen geschaffen, der Mensch hat Gott als Projektion seiner Wünsche kreiert. Gott ist das, was der Mensch nicht ist, aber sein will. Das Diesseits ist die einzige Wirklichkeit, der Mensch selbst ist Materie: „Der Mensch ist, was er isst“ , formuliert Feuerbach. Den vom Menschen geschaffenen Gottesbegriff hält Feuerbach allerdings nicht für unnütz. Im Gegenteil, der Mensch soll die Verwirklichung dieses Ideals anstreben. „Homo homini deus“ – der Mensch soll dem Menschen ein Gott sein – lautet das höchste Gebot in Feuerbachs Hauptwerk „Das Wesen des Christentums“ (1841). Schopenhauer: Unser Wille ist wie das Wasser Während Feuerbach an die Möglichkeit einer moralischen Entwicklung des Menschen glaubt, ist das Denken Arthur Schopenhauers (1788–1860) resignierend pessimistisch. Für Schopenhauer kehren Politik, Kultur, Ge­ schichte ständig wieder, nichts ändert sich zum Positiven. Die Menschheit befindet sich im Kampf aller gegen alle. Schuld daran ist der in jedem wirksame „Wille zum Leben“ . Willensfreiheit ist, wie Schopenhauer in seinem Werk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ (1819) zu beweisen sucht, eine Illusion. Alles, was wir tun, geschieht unter dem Einfluss von Ursachen, die nicht in unserer Macht liegen. Schopenhauer vergleicht den Willen mit dem Wasser. So wie es von äußeren Umständen abhängt, ob das Wasser Wellen macht, ruhig daliegt oder als Brunnenstrahl aufsteigt, so ist es auch mit dem Willen. Auch er ist von äußeren Umständen abhängig, gegen die er nichts ausrichten kann. Würde man von Willensfreiheit sprechen, so wäre das INFO Das Urheberrecht ist das Recht des Autors/der Autorin an seinem/ihrem Werk als geistigem Eigentum. Dazu zählen Werke der Literatur, Musik, Kunst, Fotografie, Film und Computer­ programme. Er/sie kann verfügen, wie und wo das Werk veröffentlicht wird, dass der Name als Urheber genannt, das Werk nicht entstellt oder verändert wird. Bei Büchern überträgt der Autor/die Autorin die Urheber­ rechte meist einem Verlag, der dann das Recht auf Verbreitung hat. Das Urheberrecht erlischt bei litera­ rischen Werken 70 Jahre nach Tod des Urhebers. In bestimmtem Umfang ist aber die Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch zulässig (Kopieren, Scannen), dies gilt auch für Schulund Prüfungszwecke. Aus Schulbüchern hingegen darf überhaupt nicht kopiert werden. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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