Literaturräume, Schulbuch
198 Das bIeDermeIer unD DIe lIteratur Des vormärz (1820–1848) 10 12 Schweinsbraten, Sardinen, Paprika-Huhn, geback. Lämmernes und Rebhuhn, viel Rindfleisch (hartes) gegessen, Nudelsuppe, etwas Rindfleisch u. Schöp- sernes, dann Reisauflauf, Hirn mit sauren Rüben, eingemachtes Kälbernes, Schnitzel mit Sardellensoß, Jause Tee mit Haselhuhn, Jause Tee Huhn (reich- lich), Jause Tee mit Schinken, Jause mit viel Huhn, pappige Kräutersuppe mit Ei“ usw. […] Berücksichtigt man, dass die „unteren“ sozialen Schichten im 19. Jahrhundert ärmlich und vor allem fleischlos aßen, so liegt laut Stifterforschung die Vermutung nahe, „dass die kontinuierliche Einverleibung gewaltiger Mengen tierischer Nahrungsmittel für Stifter, (auch) ein Mittel zur Akkreditierung 1 in der besseren Gesellschaft gewesen ist“ . Stifters Figuren hingegen essen alle bescheiden: „ein Stück schwarzen Brotes“ oder „warme Milch“ oder höchstens einmal ein „Butterbrot“ . Dieses bescheidene Essen ordnet und prägt den Tagesund Jahresablauf der Figuren, in die der Autor das Maßhalten projiziert, an dem er selbst scheitert. Stifters hintergründiges Schreiben Im Gegensatz zur Vorrede aus den „Bunten Steinen“ dringt Gewaltsames und Katastrophenhaftes häufig in die Erzählungen der Sammlung ein. „Katzensilber“ berichtet von der Unmöglichkeit, ein Kind in die Gesellschaft zu integrieren und sein Leben zu sichern. „Turmalin“ erzählt von Ehebruch und dem Versagen der Erwachsenen, die ihre Kinder aus Egoismus ins Unglück treiben. Auch die Themen der anderen Erzählungen sind keineswegs idyl lisch: Es geht um Pest („Granit“), Überschwemmungen („Kalkstein“), Feuergefahr („Katzensilber“), Krieg („Berg milch“). „Bergkristall“, die bekannteste Erzählung aus den „Bunten Steinen“, bringt die unheimliche Spannung zwischen Mensch und Natur zum Ausdruck. „Bergkristall“: Weihnachten im Eis Die Handlung ist einfach: Zwei Kinder, Konrad und Sanna, begeben sich am Weihnachtstag auf den Heimweg vom Besuch der Großmutter im Nachbardorf. Sie geraten in einen starken Schneefall, der ihnen jede Orientie rung nimmt. Lautlos und unmerklich senkt sich die Katastrophe über die beiden. Sie haben sich ausweglos ver irrt. Das Zeichen dieser Katastrophe ist das vollkommene Schweigen der Natur, nichts Lebendiges oder gar Menschliches ist spürbar. Eine „einzige weiße Finsternis“ herrscht, „rings um sie nichts als das blendende Weiß, überall das Weiß, das aber selber nur einen immer kleineren Kreis um sie zog, und dann in einen lichten, streifenwei- se niederfallenden Nebel überging, der jedes Weitere verzehrte und verhüllte, und zuletzt nichts anderes war als der unersättlich niederfallende Schnee“ . In ihrer Orientierungslosigkeit kommen die Kinder bis an das Eis des Glet schers, verloren in einer fremden, unbewohnbaren Natur: „Sie waren winzig kleine wandelnde Punkte in diesen ungeheuern Stücken.“ Den Kindern, die kein wirkliches Bewusstsein von der Todesgefahr haben, zeigt sich auch die Schönheit dieser „unmenschlichen“ Welt. Doch neben ihrer Grausamkeit bietet die Natur auch Schutz: In einer Gletscherhöhle verbringen die Kinder die Nacht, sehen fasziniert das Schauspiel des Nordlichts und das Drehen des Sternenhimmels. Dank der Suche der Bewohner beider Dörfer werden sie am nächsten Vormittag gerettet. Die bisher miteinander rivalisierenden Dörfer beenden nun auch ihren lange andauernden Streit. 14 16 1 Aufnahme AUFGABEN > Informieren Sie sich in dem Band „Schauplätze der Weltliteratur“ von Dietmar Grieser über den unmittel baren Anlass zur Entstehung der Erzählung, über die Verbindung mit Stifters Lebensumständen und über den geographisch gut lokalisierbaren Schauplatz. > Lesen Sie „Bergkristall“ als Klassenlektüre. Analysieren Sie dabei besonders folgende Aspekte; die Zahlen in Klammer beziehen sich auf die ReclamAusgabe der Erzählung: Charakterisierung von Landschaft, Jahreszeit, Bewohnern (5–7); die Konkurrenz der beiden Dörfer Millsdorf und Gschaid, ihre unterschiedliche soziale Stellung (16–20); der Beginn des Schneiens (29 ff.); die Symbolik der Farben (37 ff.); der Ablauf des Geschehens und die Rettung der Kinder durch Essen und Trinken (4, 25, 28 f., 44, 48, 52, 58, 62); das Verhältnis von Konrad zu Sanna anhand der Gespräche der beiden (31–48); die endgültige Rettung (56 ff.). > Schauen Sie sich die in einen modernen Wintersportort verlegte Verfilmung des Textes in der Regie von Joseph Vilsmaier an, notieren Sie die Unterschiede zur Erzählung und urteilen Sie „pro Film“ oder „pro Text“! Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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