Literaturräume, Schulbuch
– es endet mit dem Ausruf „Heil! Heil! Hoch Österreich!“ – steht in der Mitte von Grillparzers Schaffen. Auch in „Ein Bruderzwist in Habsburg“ (1848) befasst sich der Autor mit einem Österreich-Stoff. Begonnen hatte Grill parzer mit dem Erfolgsdrama „Die Ahnfrau“ (1817), einer Schillers „Räubern“ nachempfundenen Tragödie mit Vatermord und Schwesternselbstmord. Eine Umkehr bedeutete Grillparzers nächstes Drama „Sappho“ (1818). Grillparzer hatte sich nach Griechenland gewendet. Die griechische Mythologie inspirierte ihn auch zur Trilogie „Das goldene Vließ“. Die Trilogie besteht aus den Teilen „Der Gastfreund“, „Die Argonauten“ und „Medea“. Grill parzer teilt die Begeisterung der Klassik für die Antike. Ihr idealistisches Griechenlandbild und ihre Hoffnung, das Humanitätsideal der Antike ließe sich in seine Epoche übertragen, teilt er aber nicht. Der Mythos von Medea Als Enkelin des Sonnengottes Helios, Zauberin und Priesterin lebt Medea in Kolchis, im heutigen Kaukasus. Der Grieche Jason, Anführer der nach ihrem Schiff Argo genannten Argonauten, kommt nach Kolchis. Er will das Goldene Vlies rauben, ein Widderfell, Symbol für die Sucht des Menschen nach Macht, Ruhm, Gold. Medea schützt ihn aus Liebe vor Feuer und Waffen, verzaubert den Drachen, der das Vlies bewacht, flieht nach dem Raub des Fells mit Jason, hält ihren Vater Aietes bei der Verfolgung auf, indem sie ihren Bruder zerstückelt und die Teile dem Vater einzeln vor die Füße wirft. Aietes tötet sich. Medea findet mit Jason Aufnahme im grie chischen Korinth bei König Kreon und seiner Tochter Kreusa. Medea, die ausgelieferte und gedemütigte Frau Euripides war der Erste, der den Mythos zum Drama umformte. In Rom folgte Seneca mit einer Medea-Tragödie, in der französischen Klassik Pierre Corneille. Bis heute fasziniert der Stoff die Literatur. In einem sind sich nahezu alle Gestalter einig: Medeas Situation in Korinth ist katastrophal. So ist es auch bei Grillparzer. Medea hat für Jason alles aufgegeben: Heimat, Eltern, Bruder. Von den griechischen Korinthern wird sie als Barbarin verachtet, trotz all ihrer Bemühungen, sich zu integrieren und die „Leier“ statt den „Wurfspieß“ zu führen. Medea ist den Leuten unheimlich: 193 der leseraum Ein Gräuel ist die Kolcherin dem Volke, Ein Schrecken die Vertraute dunkler Mächte, Wo du dich zeigst, weicht alles scheu zurück Und flucht dir. Vor allem der Korintherkönig Kreon möchte Medea verbannen. Den beiden Söhnen Jasons und Medeas und Jason selbst würde er weiter Zuflucht bieten. Und Jason, für den Medea alles geopfert hat, ist feig. Er findet Ge fallen an Kreusa, möchte in Korinth Karriere machen. Er passt sich an, distanziert sich von Medea, wirft ihr ihre Herkunft vor und ihre Zauberkraft, die ihn einst gerettet hat: Brau nicht aus Kräutern Säfte, Schlummertrank, Sprich nicht zum Mond, stör nicht die Toten, Man hasst das hier und ich – ich hass es auch! In Kolchis sind wir nicht, in Griechenland, Nicht unter Ungeheuern, unter Menschen! Jason: angepasst und gewalttätig Je nachdem, wie es ihm nützt, ist Jason sowohl zur Anpassung als auch zur brutalen Gewalt fähig. Kreusa gegen über beschreibt Medea die Gewaltbereitschaft ihres Mannes: Du kennst ihn nicht, ich aber kenn ihn ganz. Nur er ist da, er in der weiten Welt Und alles andre nichts als Stoff zu Taten. Voll Selbstheit […] Spielt er mit seinem und der andern Glück. Lockts ihn nach Ruhm, so schlägt er einen tot, Will er ein Weib, so holt er eine sich, Was auch darüber bricht, was kümmerts ihn! Er tut nur recht, doch recht ist, was er will. Du kennst ihn nicht, ich aber kenn ihn ganz Und denk ich an die Dinge, die geschehn, Ich könnt ihn sterben sehn und lachen drob. 2 2 2 4 6 4 4 8 10 12 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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