Literaturräume, Schulbuch
192 Das bIeDermeIer unD DIe lIteratur Des vormärz (1820–1848) Ein Riesenerfolg … Am 1. Juli 1848 wurde das Stück uraufgeführt, in der Folge stürmten die Leute ins Theater. Texte wie das Ein gangslied des Redakteurs Ultra wurden in ganz Wien gesungen: Unumschränkt haben s’ regiert, Und kein Mensch hat sich g’rührt, Denn hätt’s einer g’wagt Und ein freies Wort g’sagt, Den hätt’ d’ Festung 1 belohnt, Das war man schon g’wohnt. Ausspioniert haben s’ alles glei, Für das war d’ Polizei. Der G’scheite ist verstummt, Kurz ’s war alles verdummt Diese Zeit war bequem Für das Zopfensystem. Auf einmal geht’s los In Paris ganz kurios, Dort sind s’ fuchtig worn, Und haben in ihrem Zorn, Weil s’ d’ Knechtschaft nicht lieben, Den Louis Philipp vertrieb’n. Das Beispiel war bös, So was macht a Getös, Und völlig über Nacht Ist ganz Deutschland erwacht, Das war sehr unangenehm Für das Zopfensystem. Da fing z’ denken an Der gedrückte Untertan: Zum Teuxel hinein, Muss ich denn ein Sklav sein? Ein Fürst ist zwar ein Herr, Aber ich bin Mensch wie er; Und kostet’s den Hals – Rechenschaft soll für all’s Gefordert jetzt wer’n Von die großmächtigen Herrn. Da waren s’ sehr in der Klemm Mit’n Zopfensystem. […] … und ein schnelles Ende In „Freiheit in Krähwinkel“ siegt die Revolution, in der Realität scheitert sie. Schon im Oktober 1848 war in Wien die Zeit der „Freiheit“ vorbei, die Zeit der „Freiheiten“ wieder angebrochen. Das Militär hatte die Stadt unter Kontrolle. Das Stück wurde am 4. Oktober zum letzten Mal gespielt. Die Reaktion hatte gesiegt, Wien huldigte dem 18jäh rigen Kaiser Franz Joseph, Nestroy hatte das vorausgeahnt. Am Ende des ersten, mit „Revolution“ betitelten Aktes des Dramas, beurteilt ein Vertreter des Absolutismus die revoltierenden Krähwinkler: „[I]ch kenn’ die Krähwinkler, man muss sie austoben lassen, is der Raptus [= Anfall] vorbei, dann werden s’ dasig 2 , und wir fangen s’ mit der Hand; da woll’n wir’s hernach recht zwicken das Volk.“ Für Nestroy selbst ergaben sich allerdings keine negativen Konsequenzen. Man scheute davor zu rück, den populären Autor zu arretieren. 3 „Was ist der Erde Glück? – Ein Schatten!“ Franz Grillparzer: „Medea“ (1821) Grillparzers Weg zu „Medea“ Als am 12. 10. 1955 das im Krieg zerstörte Burgtheater neu eröffnet wurde, geschah dies mit Grillparzers „König Ottokars Glück und Ende“ (1825). Rudolf, der erste Habsburgerkaiser des Deutschen Reiches, triumphiert über den Machtmenschen Ottokar von Böhmen. Dieses heute manchmal als „offizielles“ ÖsterreichStück interpretierte Drama 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 INFO Burgtheater und Volkstheater Ab der „Sappho“ wurden Grillpar zers Dramen im Wiener Burgthea ter aufgeführt. Es war 1741 als „Theater nächst der Burg“ gegrün det und von Joseph II. 1776 als „Hofund Nationaltheater“ deklariert worden. Unter Joseph Schreyvogel (1814–32) wurde es die bedeutendste deutschsprachige Bühne. Es hat bis heute einen hohen Rang im europäischen Theatergeschehen. Die Stücke Raimunds und Nestroys spielte man in den Wiener Volkstheatern. Die bedeutendsten dieser Bühnen wurden in den 80erund 90er Jahren des 18. Jahrhunderts gegründet: die Theater „an der Wien“, „in der Josephstadt“ und „in der Leopoldstadt“. Sie setzten die bis ins Barock zurückreichende Wiener Komödientradition fort mit den komischkritischen Figuren des Hanswurst und des Kasperl, denen später der Staberl folgte. Als Schöpfer und Bewahrer dieser Figuren gegen die Angriffe der Zensur gelten Josef Anton Stranitzky und Gottfried Prehauser (1699–1769). 1 Haft 2 kleinlaut Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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