Literaturräume, Schulbuch
186 Das bIeDermeIer unD DIe lIteratur Des vormärz (1820–1848) Ausbau der Infrastruktur wie Bahn, Straßen, Schifffahrt entwickelten sich Handel und Industrie. Doch anderen nahm gerade dies ihre Existenzgrundlage. Besonders kleine Handwerker gerieten in wirtschaftliche Not. Sie ver loren meist den Konkurrenzkampf mit der Industrie. Die sozialen Probleme der Bauern und Arbeiter Zu Ende des 18. Jahrhunderts begann in Mitteleuropa die Aufhebung der Leibeigenschaft der Bauern. Sie wur den zwar von direktem Frondienst befreit, aber unter die Gesetze des Marktes gezwungen. Viele konnten mit der Produktion großer Gutsbesitze nicht Schritt halten und verloren ihre Höfe an Großgrundbesitzer. Auch viele Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Höfen verloren ihre Arbeit. Ihre einzige Möglichkeit bestand oft darin, in die industriellen Zentren zu ziehen, um ihre Arbeitskraft in den Fabriken anzubieten. Mit der Mechanisierung der Produktion genügten auch ungelernte Arbeiter, wie zum Beispiel Frauen und Kinder. Erst 1842 wurde Lohnarbeit von Kindern unter 12 Jahren in Fabriken und Bergwerken untersagt und die Arbeitszeit für Jugendliche von 16 Stunden täglich auf 12 Stunden herabgesetzt. 1830: Die Revolution gelingt in Paris und scheitert in Deutschland 1830 bricht in Paris die Julirevolution aus. Bürger, Arbeiterschaft, Studenten und Intellektuelle revoltieren. Aus lösendes Moment für die Revolution ist die Aufhebung der Pressefreiheit. Nach einer Woche dankt der franzö sische König ab, die Adelsprivilegien werden beschnitten. Auch auf einzelne deutsche Staaten greift die Juli revolution über. Mit Gesetzen gegen die „oppositionellen Umtriebe“ werden die Revolten bald niedergeschlagen. Preußen und Österreich bleiben von Revolutionen überhaupt unberührt und garantieren den Fortbestand der restaurativen Politik. Wien hat zu dieser Zeit bis zu 10.000 „Geheimpolizisten“, jeder Zwanzigste leistet Spitzel dienste für Metternich. Aus Deutschland ziehen nach diesen Ereignissen viele Dichter und Intellektuelle nach Paris. 1848: Revolution in Paris, Wien, Berlin Im Februar 1848 zwingen die Franzosen den 1830 an die Macht gekommenen „Bürgerkönig“ Louis Philippe zur Abdankung. Die Jahre unmittelbar vor der Revolution 1848 sind europaweit durch Missernten gekennzeichnet. Die Lebensmittel werden teurer, die Kaufkraft der Bevölkerung sinkt, damit bricht auch der Markt für viele In dustrieprodukte, besonders Textilien, ein. Entlassungen, Lohnreduktionen sind die Folge. ImMärz erhebt sich die Revolution zunächst in Wien, dann in Berlin. Metternich tritt zurück, flüchtet. Im Juni revoltiert Paris. In Prag fordert der Aufstand die Umwandlung der Donaumonarchie in einen Bund gleichberechtigter Völker. Es folgt die Oktoberrevolution in Wien. Doch alle Aufstände enden mit der Niederschlagung, Verhaftungen, Hinrich tungen, Wiedereinführung der Zensur. 1851 kehrt Metternich nach Wien zurück und beeinflusst bis zu seinem Tod 1859 die Politik des jungen Kaisers Franz Joseph I. DIe lIteraturübersIcht 1 Das Biedermeier: Verhaltene Kritik „Herr Biedermeier“ – eine Witzfigur Die Reaktionen der Dichterinnen und Dichter auf die politischen und ökonomischen Veränderungen der Epo che waren äußerst unterschiedlich. Manche äußerten Kritik und riefen zur Revolution auf, andere neigten zum Rückzug aus der Öffentlichkeit und suchten Harmonie im Privaten. Der in satirischer Absicht geprägte Begriff „Biedermeier“ als Bezeichnung für diese unpolitische, sich abkapselnde Haltung wurde ab 1848 verwendet. Er entstand aus der Kombination des Namens zweier Spottfiguren der Zeit, „Biedermann“ und „Bummelmeier“, zu „Gottlieb Biedermaier“ – später geschrieben „Biedermeier“. Die spätere neutrale und positive Bewertung des Begriffs ab dem 20. Jahrhundert geht von der Wertschätzung des Kunsthandwerks, des Mobiliars, der Malerei und der Musik der Epoche aus. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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