Literaturräume, Schulbuch

17 grenzenlos | auf Den punkt gebracht „Heißt dein Muter Frau Utte, ein gewaltige Herzogin, So bin ich Hiltebrant der alte, der liebste Vater dein.“ Er schloss ihm auf sein gulden Helm und kusst ihn an seinen Mund: „Nun müss es Gott gelobet sein, wir seind noch beid gesund.“ […] Das Ende des hier in sprachlich leicht angepasster Fassung zitierten Liedes ist idyllisch. Hadubrands Mutter – Hildebrands Frau – tischt beiden reichlich Essen und Trinken auf. Der Mörder-Sohn Bis ins 20. Jahrhundert wurde so wie im „Hildebrandslied“ meist der Sohn als Verursacher und auch Opfer des VaterSohnKonflikts dargestellt. In der Moderne verschiebt sich die Parteinahme der Literatur jedoch zuunguns­ ten des Vaters. Ein besonderes Thema wird die VaterSohnAuseinandersetzung im Expressionismus (1910–25). Im Drama „Der Sohn“ von Walter Hasenclever richtet der Sohn die Pistole auf den ihn demütigenden Vater. Der Vater bricht jedoch, vom Schlag getroffen, zusammen, bevor der Schuss losgeht. Im Drama „Der Bettler“ von Reinhard J. Sorge vergiftet der Sohn den mit einer Kindertrommel irrsinnig durchs Haus rennenden Vater. In der Erzählung „Kassops Vater“ von Heinrich Lersch stirbt der Vater, als er gerade den Sohn erschlagen will. Martin Pollack: „Anklage Vatermord“ Die jüngste Darstellung des Themas in der deutschsprachigen Literatur ist das 2002 erschienene Buch „Anklage Vatermord“. Es beruht auf einer Zeitungsnotiz über die Bestattung eines menschlichen Kopfes, der mehr als sechzig Jahre lang in der Innsbrucker Gerichtsmedizin als Beweismittel aufbewahrt worden war. Der Kopf gehört zum Leichnam des jüdischen Arztes Morduch Max Halsmann aus Riga, der während einer Wanderung im Zillertal im Sommer 1928 auf bis heute nicht geklärte Weise ums Leben kommt. Unmittelbar darauf wird dessen 22jäh­ riger Sohn Philipp als mutmaßlicher Täter festgenommen. Alle Indizien sprechen zunächst gegen ihn, und vor allem eine deutliche antisemitische Stimmung wird laut. Sie wird umso lauter, je unsicherer die Beweislage ist ... > Lesen Sie und präsentieren Sie Pollacks Buch! 4 6 AUFGABE auf Den punkt gebracht Das frühe Mittelalter auf den Punkt gebracht • Drei Elemente bestimmen die Literatur der Epoche: – Das germanische Element, von Karl dem Großen bewusst eingesetzt, um eine gemeinsame Identität in seinem Reich zu stiften. Karls Nachfolger lassen jedoch die Sammlungen germanischer Heldenlieder verbrennen. Einziges literarisches Zeugnis: das Hildebrandslied. – Das christliche Element: Literatur steht im Dienst der Vermittlung christlicher Ideen. Die Begriffe aus dem Lateinischen müssen für das Deutsche erarbeitet werden, die germanischen Mythen verdrängt, die Bot­ schaft der Evangelien soll verbreitet werden. So entstehen Glossensammlungen wie der „Abrogans“, der „Wessobrunner Weltschöpfungsmythos“, Otfrieds „Evangelienharmonie“, ein Querschnitt durch die vier Evangelien. Der Endreim verdrängt den als „heidnisch“ angesehenen Stabreim. – Das „heidnische“ Element: Die „Merseburger Zaubersprüche“ und der „Lorscher Bienensegen“ sind Reste alter germanischer Beschwörungstexte. • Nach Karl dem Großen verstummt die deutsche Literatur für 150 Jahre. Erst ab 1060 erscheinen wieder deutschsprachige Werke: Seitdem kann man von einer kontinuierlichen deutschen Literatur(geschichte) sprechen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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