Literaturräume, Schulbuch

Die Brüder Grimm formen um Allerdings stellen die gesammelten Märchen keine „volksgetreuen“ Fassungen dar, sie sind Umformungen durch die Brüder Grimm. Sie verändern dort, wo sie das Erzählte für eintönig halten, verwenden für die oft mundartlich erzählten Märchen die Hochsprache, mildern Tabustellen vor allem sexueller oder sozialkritischer Art. Auch der Gehalt der Märchen verändert sich. Die Gefahr, vom Wolf „gefressen“ zu werden, war im bäuerlichen Bereich, aus dem viele Märchen stam­ men, eine reale Gefahr. Vom Bürgertum, welches die Märchen las, wur­ de der „böse“ Wolf meist nur mehr symbolisch aufgefasst. Wie sich das „Rumpelstilzchen“ entwickelt Von „Grimms Märchen“ gibt es drei Fassungen. Anhand von „Rumpelstilzchen“ soll Ihnen gezeigt werden, wie sich die Märchen in den verschiedenen Ausgaben änderten. Der Inhalt ist Ihnen vermutlich bekannt: Eine arme Müllerstochter spinnt mit Hilfe eines Zwerges Flachs zu Gold und wird so die Frau eines Prinzen. Der Zwerg for­ dert als Lohn das erstgeborene Kind. Sie darf es aber behalten, entdeckt sie den Namen des Zwerges. Dies gelingt ihr auch mit Hilfe von Boten, die sie ausschickt und die den Zwerg ums Feuer tanzend seinen Namen rufen hö­ ren. Übrigens: Rumpeln bedeutet poltern und ein Stülzer ist im Frühneuhochdeutschen ein Hinkender; Rumpel­ stilzchen ist also ein hinkender Poltergeist. 167 Der leseraum Brüder Grimm 1. Fassung: Diese [die Dienerin] geht nachts hinaus, da sieht sie es [das Rumpelstilzchen], wie es auf einem Kochlöf- fel um ein großes Feuer herumreitet und ausruft: „Wenn die Prinzessin wüsste, dass ich Rumpenstünz- chen heiß!“ Die Dienerin bringt eilig der Prinzessin diese Nachricht, die darüber sehr erfreut wird. Um Mitternacht kommt das kleine Männchen und spricht: „Weißt du meinen Namen, oder ich nehme das Kind mit.“ Da nennt sie allerlei Namen, endlich sagt sie: „solltest du wohl Rumpenstünzchen heißen?“ Wie das Männchen das hört, erschrickt es und spricht: „Das muss dir der Teufel gesagt haben“ und fliegt auf dem Kochlöffel zum Fenster hinaus. 2. Fassung: Am dritten Tag aber kam der König von der Jagd heim und erzählte ihr: „Ich bin vorgestern auf der Jagd gewesen, und als ich tief in den dunklen Wald kam, war da ein kleines Haus und vor dem Haus war ein gar zu lächerliches Männchen, das sprang als auf einem Bein davor herum und schrie: „Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Frau Königin ihr Kind, ach wie gut ist, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß!“ Wie die Königin das hörte, ward sie ganz froh, und als das gefährliche Männlein kam, frug es: „Frau Königin, wie heiß ich? „Heißest du Conrad?“ – „Nein.“ – „Heißest du Heinrich?“ – „Nein.“ – „Heißt du etwa Rumpelstilzchen?“ – „Das hat dir der Teufel gesagt“, schrie das Männchen, lief zornig fort und kam nimmermehr wieder. 3. Fassung: Den dritten Tag kam der Bote wieder zurück und erzählte: „Neue Namen habe ich keinen einzigen finden können, aber wie ich an einen hohen Berg um die Waldecke kam, […] so sah ich da ein kleines Haus, und vor dem Haus brannte ein Feuer, und um das Feuer sprang ein gar zu lächerliches Männchen, hüpfte auf einem Bein und schrie: „Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind; Ach, wie gut ist, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß!“ Da könnt ihr denken, wie die Königin froh war, als sie den Namen hörte, und als bald hernach das Männlein hereintrat und fragte: „Nun, Frau Königin, wie heiß ich?“, fragte sie erst: „Heißest du Kunz?“ – „Nein.“ – „Heißest du Heinz?“ – „Nein.“ – „Heißt du etwa Rumpelstilz- chen?“ „Das hat dir der Teufel gesagt, das hat dir der Teufel gesagt“, schrie das Männlein und stieß mit dem rechten Fuß vor Zorn so tief in die Erde, dass es bis an den Leib hineinfuhr, dann packte es in seiner Wut den linken Fuß mit beiden Händen und riss sich selbst mitten entzwei. 2 4 6 8 10 12 2 4 6 8 10 12 14 16 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 AUFGABE > Lesen Sie den Schluss des Märchens in den drei verschiedenen Fassungen und befassen Sie sich mit den angeschlossenen Arbeitsvorschlägen! Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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