Literaturräume, Schulbuch
164 DIe romantIk (1795–1835) des Romans – „Die Erfüllung“ – liegt nur skizzenhaft vor. Heinrich fährt durch die Welt, kehrt zurück, findet die blaue Blume. Es ist Mathilde, sie schläft, mit einem kleinen Mädchen an ihrer Seite, ihrem gemeinsamen Kind. Es verkörpert das Zeitalter ewiger Harmonie, das nun anbricht. Fragment Der Begriff „Fragment“ hat in der Literatur zwei Bedeutungen. Er bezeichnet zunächst ein nur bruchstückhaft überliefertes Werk, das ursprünglich vollständig war. Viele antike Werke sind zum Beispiel nur als Fragment erhalten. Die zweite Bedeutung des Begriffs meint Werke, die aus verschiedenen Gründen unvollendet geblieben sind. Die Gründe können vielfältig sein: Tod, Schreibprobleme, Verlust der materiellen Existenz, Schreibverbot. Novalis schließt den ersten Teil seines Romans im April 1800 ab und stirbt im März 1801. Ohne Zweifel hat also der Tod des Autors eine ausgearbeitete Fortsetzung des Romans verhindert. Für die Romantik kommt allerdings ein wichtiger Aspekt dazu. Eine ganze Reihe romantischer Romane bleibt absichtlich unvollendet. Das Eingreifen der Dichtung ins Leben, die „Romantisierung“ des Lebens, ist kein Prozess, der wirklich abgeschlossen werden kann. Ein Resultat dieser grundsätzlichen Unabschließbarkeit ist die Absicht, die Romane nicht fertig zu stellen, sondern Fragment bleiben zu lassen. Romantische Ironie Ein weiteres Mittel, die Illusion zu durchbrechen, ein Werk könnte wirklich „fertig“ sein, ist die „romantische Ironie“. Die Dichter stellen damit ihre eigenen Werke durch desillusionierende, sarkastische Einschübe in Frage und weisen darauf hin, dass ihre Schöpfungen nicht den Zwiespalt zwischen der Realität und dem angestrebten Ideal einer harmonischen Welt aufheben können. Ein besonders typisches Beispiel für romantische Ironie ist Ludwig Tiecks Drama „Der gestiefelte Kater“ (1797). Das Publikum kritisiert während der Aufführung das Werk, der Dichter erscheint auf der Bühne, um die Zuschauer zu beruhigen, ein herbeigerufener „Besänftiger“ kommt ihm zu Hilfe, die Schauspieler fallen ständig aus ihren Rollen. 2 Kunstvolle Sprachspiele und einfache Volkslieder Clemens Brentano: „Es sang vor langen Jahren“ und „Was reif in diesen Zeilen steht“ (1803) Clemens Brentano, Achim von Arnim: „Des Knaben Wunderhorn“ (1805–08) Was ist ein romantisches Gedicht? In Ludwig Tiecks Roman „Franz Sternbalds Wanderungen“ gehen zwei Freunde in einem schönen Tal spazieren. Man beschließt, die fröhliche Stimmung mit einem Lied zu feiern: „Sie setzten sich auf den Rasen nieder, und Florestan fragte: Welcher Inhalt soll denn in meinem Liede sein? – Wel- cher du willst, antwortete Ludovico, wenn es dir recht ist, gar keiner; wir sind mit allem zufrieden, wenn es dir nur gemütlich ist, warum soll eben Inhalt den Inhalt eines Gedichts ausmachen?“ Nicht um Inhalte, Darstel lung von Wirklichkeit geht es also primär in vielen romantischen Gedich ten, sondern um Wortklang, Rhythmus, sprachliche Bilder, Musikalität. Besonders Brentano wendet dieses Verfahren an. Ein weiteres Kennzei chen romantischer Gedichte ist es, dass sie oft als Bestandteile von Ro manen, Erzählungen und Märchen die lyrische Stimmung steigern sollten. Dies gilt auch für die beiden folgenden Gedichte Brentanos. Im ersten Text singt die Mutter des Erzählers aus der „Chronika des fahren den Schülers“ folgendes Lied am Spinnrad. Clemens Brentano AUFGABE > Blättern Sie nochmals zurück zur Inhaltsübersicht zu Goethes „Wilhelm Meister“Romanen, Seite 162. Welche Unterschiede bestehen hinsichtlich des Lebensziels der Hauptfiguren bei Goethe und Novalis? Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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