Literaturräume, Schulbuch

160 DIe romantIk (1795–1835) Moderne ist diese Einheit mit der Natur aber verloren gegangen. Die „sentimentalische“ Dichtung strebt danach, diese Einheit wiederzufinden. Als „sentimentalische“ Dichter sehen sich auch die Romantiker. Naturbegeisterung ist für sie keine rührselige Schwärmerei, sondern ein Programm gegen die einseitige Erklärung der Welt durch Logik und Vernunft. Ohne Romantiker keine Weltliteratur Der erste gedruckte Beleg für den Begriff „Weltliteratur“ stammt zwar nicht von den Romantikern, sondern von Goethe. Er verstand „Weltliteratur“ als die Gesamtheit der Literatur aller Völker. In einer Zeit der sich ent­ wickelnden Internationalisierung von Handel, Verkehr, Kommunikation sollten die nationalen Literaturen, wie Goethe es sieht, sich nicht von einander abschotten. Sie sollen im Gegenteil dazu beitragen, dass auf der Welt das „Gefühl nachbarschaftlicher Verhältnisse“ entsteht, und so eine humanere Welt schaffen. Dabei spielt die Vermittlung der Literatur durch Übersetzungen eine wichtige Rolle. Gerade die Romantiker fördern aber mit ihren Übersetzungen die Kenntnis anderer Literaturen. Die Reihe der romantischen Übertragungen beginnt mit Ludwig Tiecks Übertragung des „Don Quijote“ von Cervantes. August Wilhelm Schlegel übersetzt Calderóns „Das Leben ein Traum“ und spanische, italienische, portugiesische Lyrik. Einen Höhepunkt der Übersetzungskunst bildet die von August Wil­ helm Schlegel begonnene Übersetzung von Shakespeares Dramen. Sie wurde von Ludwig Tieck, seiner Tochter Dorothea und Wolf Graf Baudissin fortgesetzt. In der Romantik erwacht auch das Interesse für die Dichtung des Orients. Erste Über­ setzungen des persischen Dichters Hafis inspirierten Goethes Gedichtzyklus „Westöstlicher Divan“ (1819). Die spätere Romantik: Romantik, wie wir sie sehen Was wir als Romantik betrachten, wird von der späteren Romantik bestimmt Das herkömmliche Bild der Romantik im Bewusstsein der heutigen Leserinnen und Leser wird kaum von den Dichtern und Dichterinnen der früheren Romantik bestimmt, sondern viel eher von der „Heidelberger Roman­ tik“. Beliebt sind die „romantischen“ Märchen, Volkslieder und die wie Volkslieder singbaren Gedichte, wie jene von Joseph Eichendorff, auch wenn dabei meist weniger der Autor selbst als seine Gedichte bekannt sind. Die „heile Welt“ von Mittelalter und Volksdichtung In vielen Kulturen gibt es den Gedanken, dass die jeweils aktuelle Epoche vom Verlust der Einheit zwischen Mensch, Gesellschaft und Natur geprägt ist. Diesem Verlust sei eine Zeit der Einheit vorausgegangen. Dieses Denken findet sich auch bei den späten Romantikern. Sie sehen im – idealisierten – deutschen Hochund Spät­ mittelalter diese verlorene „goldene Zeit“. Dass der Minnesang, die höfische Epik, das Nibelungenlied für uns zum anerkannten Literaturkanon gehören, geht auf die Arbeit der Spätromantiker zurück. Eine ganze Wissen­ schaft, die Germanistik, verdankt ihnen die Entstehung. Deutsche Sprache und Literatur wurden vor allem in den Arbeiten von Jacob Grimm (1785–1883) und Wilhelm Grimm (1786–1859) zum Gegenstand von Studium und wissenschaftlicher Forschung. Freilich liegt eine Wurzel der Begeisterung für die Germanistik auch im Poli­ tischen. Sie sollte dem politisch zerrissenen Deutschland eine zumindest geistige Einheit geben. In der Volksdich­ tung glaubte man die unverfälschte „Volksseele“ zu finden. Wichtige Resultate dieser Anschauung sind die romantischen Märchen und Volksliedsammlungen. Als Volksliedsammlung ragt „Des Knaben Wunderhorn“ (1805–08) von Achim von Arnim und Clemens Brentano hervor, der selbst in manchen seiner Gedichte, wie „Was reif in diesen Zeilen steht“ , einer der Wegbereiter der modernen Lyrik ist (2) . Die „Kinder- und Hausmär- chen“ (1812–15) der Brüder Grimm (3) bilden die überragende Märchensammlung der Epoche. Die Unterschiede zu den „Jenaern“: patriotisches Engagement, nostalgisches Naturgefühl Bei den späteren Romantikern ist jedoch die Überzeugung der frühen Romantik weitgehend geschwunden, dass durch die Dichtung eine Überwindung der Krise der Gesellschaft erreicht werden könnte. Die spätere Romantik INFO Moderne Shakespeare-Übersetzungen Zurzeit besonders geschätzt werden die Übersetzungen des Österreichers Erich Fried (1921–88). Hervorgehoben wird seine Übertragung der Sprachspiele Shakespeares. Fried übersetzte 27 Dramen, darunter „König Lear“, „Hamlet“, „Ein Sommernachtstraum“, „Othello“. Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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