Literaturräume, Schulbuch
DIe romantIk (1795–1835) Überschreiten des Verstandes, Romantisierung der Realität 1795 Die „Geschichte des Herrn William Lovell“ von Ludwig Tieck gilt als erster romantischer Roman, der Held ist eine typisch romantische Figur: lebhafte Fantasie, Gefühlsbetontheit, Zerrissenheit. 1830 In den Jahren um die Julirevolution von 1830 in Paris werden für die Literatur einerseits radikalere politische und realistische Strö mungen, andererseits der biedermeierliche Rückzug ins Private charakteristisch. 157 Das funDament Gesellschaftliche Umbrüche, politische Wirren Was heißt „romantisch“? Vom „Romantischen“ spricht man schon lange Zeit vor dem Beginn der in diesem Abschnitt vorgestellten Epo che von 1795 bis 1830. Das Adjektiv „romantisch“ bezeichnete Inhalte, die man in „Romanen“ fand. Diese „Roma ne“ enthielten meist abenteuerliche Liebesgeschichten, ritterliche Kämpfe, exotische Abenteuer, legendenhafte, mit Wundern ausgeschmückte Stoffe. Es ist nicht verwunderlich, dass deshalb der Begriff „romantisch“ ursprüng lich „fantastisch“, „erfunden“, „unwahr“ bedeutete. Wieso heißt der Roman „Roman“? Geschrieben wurden diese „Romane“ vor allem in Italien, Frankreich, Spanien, und zwar in den Volkssprachen, die sich aus dem Latein entwickelt hatten, eben den romanischen Sprachen. Was in diesen Sprachen geschrieben wurde, bezeichnete man, zunächst abwertend, als „Roman“. „Romantisch“ wird positiv gebraucht Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts setzten sich die Dichtungen in der Volkssprache und die Romane in der Publikumsgunst durch. Das Wunderbare, Phantasievolle wurde nicht mehr wie teils in der Aufklärung aus der Literatur verbannt. Gleichzeitig wurde die nationale Dichtung mehr geschätzt. So verlor sich der negative Unter ton des Begriffs „romantisch“. Nicht nur im Inhalt, auch der Form nach unterschieden sich die Romane von klassischen Werken: kein Vers, keine strenge Form, wenig Respektierung von Regeln. Parallel dazu konnten deshalb auch die „ungeregelte“ Landschaft, unberührte Natur, Felsen, Ruinen, Wasserfälle, Parks im nicht geo metrischen „englischen“ Stil als romantisch bezeichnet werden. Die Romantiker: Leben in politischen Wirren Die Autoren der Romantik sind alle knapp hintereinander in den Sechzigerund Siebzigerjahren des 18. Jahrhun derts geboren: August Wilhelm Schlegel (1767–1845), Friedrich Schlegel (1772–1829), Novalis (1772–1801), Ludwig Tieck (1773–1853), Wilhelm Heinrich Wackenroder (1773–98), E. T. A. Hoffmann (1776–1822). Für sie sind die Französische Revolution und die von ihr verursachten politischen Veränderungen Realität. Sie und auch etwas später geborene Dichter wie Joseph Eichendorff (1788–1857) erleben tiefe politische Erschütterungen: das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1806, die Teilnahme deutscher Staaten am Krieg Napo leons gegen Österreich und Preußen, die Besetzung von Teilen Deutschlands durch französische Heere, Napole ons Einzug in Wien. Politische und gesellschaftliche Krisen werden für die Romantiker zu einer tiefen Erfahrung. Leben in gesellschaftlichen Umbrüchen Zugleich sind die Romantiker die ersten Dichter, welche die Erfahrung der Verstädterung und der beginnenden Industrialisierung machen. Die Romantiker erleben erstmals die Anonymisierung in der Gesellschaft und spüren die Veränderungen und Verluste in der Natur. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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