Literaturräume, Schulbuch

146 DIe „ WeImarer klassIk“ (1786/1794–1805) unD Der „ geIst Der goethezeIt“ (bIs 1832) grenzenlos Von Hölderlins „Umnachtungsgedichten“ zu den Gugginger Künstlern Die Erfolgsgeschichte von Gugging Bis ins 20. Jahrhundert bezeichnete man Hölderlins späte Lyrik als „Gedichte aus der Zeit der Umnachtung“. Heute spricht man neutral von den „späten“ Gedichten. Man ist vorsichtig geworden mit der Etikettierung „gesund/krank“ und befasst sich vorurteilsloser mit der Kunst von Menschen, die man früher als psychisch krank abqualifiziert hätte. Einen wichtigen Beitrag für diese Änderung leisteten die Künstler von Gugging. Ende der 50erJahre des vergangenen Jahrhunderts veranlasste der Psychiater Leo Navratil in der Klinik Maria Gugging bei Klosterneuburg seine Patienten, für psychologische Tests Zeichnungen anzufertigen. Anfangs war es vor allem wissenschaftliches Interesse, bald aber trat die Faszination an den originellen und erfinderischen Darstellungen in den Vordergrund. Ein Merkmal dieser Kunst ist die freie Gestaltung. Die Künstler haben keine Kenntnisse über Kunstgeschichte, Stile, Techniken oder Biographien anderer Künstler. Ihr Stil ist „autochthon“, das heißt, er stammt von der jeweiligen Person selbst, weil ihr auch das nötige Können zur Nachahmung fehlt. Diese „Art brut“ oder „Outsider Art“ drückt spontan das Unbewusste und die subjektiven Gefühle des Künstlers aus. Gedichte und Gedanken der Gugginger Künstler Der bekannteste unter den Gugginger Dichtern ist Ernst Herbeck (1946–91). Seine Arbeiten wurden in viele Sprachen übersetzt, die deutschsprachige Auflage seiner Gedichte beträgt mehrere zehntausend Exemplare. Mit ihm begann 1960 auch die dichterische Arbeit der Gugginger Künstler: Navratil legte Herbeck einen Zeichen­ karton vor und bat ihn, ein Gedicht zu schreiben. Herbecks erstes Gedicht trägt den Titel „Der Morgen“. Lesen Sie die folgenden Gedichte Herbecks und befassen Sie sich mit den angeschlossenen Interpretationsanregungen. Der Morgen Im Herbst da reiht der Feenwind da sich im Schnee die Mähnen treffen. Amseln pfeifen heer im Wind und fressen Lila Die Farbe ist schön Diese Farbe ist ein Gemisch von rot und rosa Die Farbe ist auch Lila wenn Lila lila ist. Lila sind so manche Wolken. Lila ist unsere Geldbörse unser Geld. Lila ist schon eine schöne Farbe. Lila ist unsere Farbe der toten Fahnen. Der Pampf Der Pampf ist Orangerot dies ist das passet für ihn Er lebt in Österreich und frisst nur Hafer. Der Pampf ist so groß wie ein Gimpel. Und der Gimpel so groß wie eine Schwalbe. Er frisst auch nur Hafer. Sowie der Sperling Der Pampf ist ein sehr liebes Tier Er tut niemandem etwas zu leide Menschen frißt er mit Vorliebe. Musik hört er sehr gerne Er ist ein Haustier. Er wird in einem Käfig gehalten. Er lebt auch in freier Natur. 2 4 6 2 4 6 2 4 6 8 10 12 14 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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