Literaturräume, Schulbuch
14 DIe anfänge Der DeutschsprachIgen lIteratur Im frühen mIttelalter (770–910 unD 1060–1170) Die Kunst des Übersetzens Wie schwierig es ist, von der Übersetzung von Einzelwörtern zu sinnvollen Texten zu kommen, und wie groß deshalb die Leistung der frühen Übersetzer einzuschätzen ist, welche die Glossen zu ganzen Texten kombi nierten, erfahren wir selbst auch heute noch bei eigenen Übersetzungen oder, wie das folgende Beispiel zeigt, in oft „legendären“ Gebrauchsanweisungen, wenn Wort für Wort übersetzt wird und dabei der Zusammenhang der im Wörterbuch gefundenen Wörter nicht hergestellt werden kann. 2 4 6 8 AUFGABE > Der Text zeigt deutliche Stabreime; bestimmen Sie diese! Der Text besteht aus zwei inhaltlich deutlich unterschiedlichen Teilen: Zeilen 1 bis 7 und Zeilen 8 bis 11. Wovon handelt Teil 1, wovon Teil 2? INFO So werden die Texte gesprochen: Doppelvokale und Zirkumflex ˆ zeigen an, dass der Vokal lang gesprochen wird, æ ist langes „e“, ie unser Zwielaut „ia“ wie mundartlich „nie“; uo unser „uo“ wie in mundartlich „Kuh“. Silben mit unbezeichneten Vokalen werden sehr kurz ausgesprochen; c und q werden als „k“ gesprochen, v und uu wie „w“, hh ist „ch“; z zwischen Vokalen oder am Wortende nach Vokal ist „s“, sonst „z“, cz wird als „z“ artikuliert; zz kann für „z“ und „s“ stehen, wird aber in der Aussprache als „s“ meist zz geschrieben. Getrennt gesprochen werden die Konsonanten in Verbindungen wie „sp“, „st“ – also nicht wie heute Speck oder Stiege. Um den Rhythmus zu wahren, wird ein Vokal am Wortende meist nicht gesprochen, wenn das folgende Wort mit Vokal beginnt. 2 4 6 8 10 2 4 6 8 10 Aus der Montageanleitung einer Hi-Fi-Anlage Glastür montieren: Während Sie das Glas ein wenig in Richtung -A- drücken, drücken Sie das Glas kräf- tig in Richtung -B-, bis sei ein geklirr Lärm hören in der linker und der rechter Scharnier. Im fall die Scharnier und die Metal Platten nicht korrekt passen, bewegen Sie das Glas mit beiden Händen nach links oder rechts, während sie das Glas in Richtung -C- drücken. 3 Was die Germanen über die Erschaffung der Welt lernen mussten Der „Wessobrunner Weltschöpfungsmythos“ (um 815) Neue Mythen Eine der Säulen des Christentums ist der Glaube an einen persönlichen Gott als den Schöpfer des Universums. Schöpfungsmythen gibt es jedoch weltweit, sie werden von den Völkern verschieden gestaltet und sind stark bestimmt von den kulturellen und geographischen Gegebenheiten, unter denen die Menschen leben. So hatten auch die Germanen ihre eigenen Schöpfungsmythen. Natürlich sollte im Zuge der Missionierung der neue christ liche Mythos die heidnischgermanischen Mythen ersetzen. Einer dieser Versuche ist fragmentarisch erhalten geblieben, der „Wessobrunner Weltschöpfungsmythos“, aufgeschrieben um 815. Er ist hier in Althochdeutsch und in einer neuhochdeutschen Übersetzung abgedruckt. Der „Wessobrunner Weltschöpfungsmythos“ Dat gafregin ih mit firahim firiuuizzo meista, dat ero ni uuas noh ûfhimil, noh paum ... noh pereg ni uuas, ni ... nohheinîig noh sunna ni scein, no mâno ni liuhta, noh der mâreo sêo. Dô dâr niuuiht ni uuas enteo ni uuenteo, enti dô uuas der eino almahtîco cot, manno miltisto, enti dâr uuârun auh manake mit inan cootlîhhe geistâ. enti cot heilac […] Das erfragte ich unter den Menschen als der Wunder größtes, dass Erde nicht war, noch oben der Himmel, nicht Baum ..., noch Berg war, noch ... irgendetwas, noch die Sonne schien, noch der Mond leuchtete, noch das herrliche Meer. Als da nichts war da und dort, da war der eine allmächtige Gott, das gütigste Wesen und da waren mit ihm auch viele herrliche Geister. Und Gott der heilige […] Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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