Literaturräume, Schulbuch

136 DIe „ WeImarer klassIk“ (1786/1794–1805) unD Der „ geIst Der goethezeIt“ (bIs 1832) Paragraph eins: dem Tag Höhepunkte geben Den ganzen Tag freute er sich auf oder über etwas. „Vor dem Aufstehen“, sagt’ er, „freu’ ich mich auf das Frühstück, den ganzen Vormittag aufs Mittag- essen, zur Vesperzeit aufs Vesperbrot und abends aufs Nachtbrot – und so hat der […] Wutz sich stets auf etwas zu spitzen.“ […] „Abends“, dacht’ er, „lieg’ ich auf alle Fälle, sie mögen mich den ganzen Tag zwicken und hetzen, wie sie wollen, unter meiner warmen Zudeck und drücke die Nase ruhig ans Kopfkissen, acht Stunden lang.“ – Und kroch er endlich in der letzten Stunde eines solchen Leiden- tages unter sein Oberbett: so schüttelte er sich darin, krempte sich mit den Knien bis an den Nabel zusammen und sagte zu sich: „Siehst du, Wutz, es ist doch vorbei.“ Paragraph zwei und drei: den Tag froh beginnen Ein andrer Paragraph aus der Wutzischen Kunst, stets fröhlich zu sein, war […], stets fröhlich aufzuwachen – und um dies zu können, bedient’ er sich eines dritten und hob immer vom Tage vorher etwas Angenehmes für den Morgen auf, entweder gebackne Klöße oder ebensoviel äußerst gefährliche Blätter aus dem Robinson, der ihm lieber war als Homer – oder auch junge Vögel oder junge Pflan- zen, an denen er am Morgen nachzusehen hatte, wie nachts Federn und Blätter gewachsen. Den dritten und vielleicht durchdachtesten Paragraphen seiner Kunst, fröhlich zu sein, arbeitete er erst aus, da er Sekundaner 1 ward: er wurde verliebt. 2 4 6 8 10 12 14 2 4 6 8 10 12 5 „Es sind so wenige, die noch Glauben an mich haben.“ Friedrich Hölderlins Roman „Hyperion“ (1797/99) und seine späten Gedichte Späte Anerkennung Anders als die Weimarer Klassiker erlangte Friedrich Hölderlin erst im 20. Jahrhundert literarische Aufmerksamkeit. Heute ist die weltlitera­ rische Bedeutung Hölderlins unumstritten. Für viele gilt Hölderlin als Beispiel eines Schriftstellers, der am Unverstand seiner Zeit, an seiner offensiven Kritik, seiner eher ärmlichen Herkunft und vor allem auch an Widerstand, Missgunst und fehlender Unterstützung der beiden „Gro­ ßen“, Goethe und Schiller, scheitert. Goethes Herablassung Ohne Zweifel wurde eine positive Aufnahme Hölderlins zu seiner Zeit auch behindert durch die geringe Wertschätzung, die Goethe dem Au­ tor entgegenbrachte. Im April 1797 erscheint der erste Band von Hölder­ lins Roman „Hyperion“. Hölderlin versucht mit Goethe näher bekannt zu werden, da dessen Urteil in der Öffentlichkeit viel gilt. Das Treffen mit Goethe im Hause Schillers scheitert. Hölderlin erkennt Goethe nicht, Goethe tut nichts, um sich erkennen zu geben. Nach einem Besuch, den Friedrich Hölderlin 1 Schüler der vorletzten Klasse des Gymnasiums AUFGABEN > Machen Sie den „Wutz“ zu Ihrer Klassenlektüre. Er ist in Buchform oder auch als Internettext leicht verfüg­ bar. Lesen Sie Details zu Wutz’ Rezepten eins bis drei sowie seinen pfiffigen Ausweg aus dem Problem, sich keine Bücher leisten zu können, lesen Sie, was Wutz aus den „Leiden des jungen Werther“ macht oder wie er den Lebkuchen, den er seiner Geliebten mitbringen will, zwar aufisst, aber trotzdem mitbringt. > Schreiben Sie in freier Form Ihre drei persönlichen „Glücksparagraphen“ nieder! Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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