Literaturräume, Schulbuch

125 DIe lIteraturübersIcht vor. Manchmal stellte er ihnen auch Gedichte aus späterer Zeit als Kon­ trast unmittelbar gegenüber. So folgte in einer von Goethe zusammen­ gestellten Ausgabe seiner Gedichte dem 1774 geschriebenen Sturm­ undDrangGedicht über den gegen die Götter aufbegehrenden Prome­ theus das 1781 entstandene klassische Gedicht „Grenzen der Mensch­ heit“. Der Aufbegehrer, der den Herrschaftsanspruch der Götter be­ stritten hatte, ist verschwunden. An seine Stelle tritt der maßvolle, um seine Grenzen wissende Mensch. Grenzen der Menschheit […] Denn mit Göttern Soll sich nicht messen Irgendein Mensch Hebt er sich aufwärts Und berührt Mit dem Scheitel die Sterne, Nirgends haften dann Die unsichern Sohlen, Und mit ihm spielen Wolken und Winde. […] Schillers Abkehr vom „Sturm und Drang“ So sehr waren die Vertreter der Französischen Revolution von Schillers „Räubern“ beeindruckt, dass sie den Bürger Schiller – „Citoyen Gillé“ – zum Ehrenbürger der Revolution und Frankreichs ernannten. Sie bewun­ derten den mit Ekel an den politischen Zuständen erfüllten Rebellen Karl Moor, der nach „Taten, […] nach Freiheit!“ dürstet. 10 Jahre nach den „Räubern“ will Schiller von Rebellion, Umsturz nichts mehr wissen. Schil­ ler ist abgestoßen von der Ausuferung der Gewalt der Französischen Revolution, dem Wüten der „wilden Tiere“ . Das französische Volk, das zu Recht seine „heiligen Menschenrechte“ einfordere, habe „einen beträcht- lichen Teil Europas, und ein ganzes Jahrhundert, in Barbarei und Knecht- schaft zurückgeschleudert“ . Doch nicht die Franzosen als Nation sind Zielscheibe seiner Kritik; „rohe gesetzlose Triebe […], die sich […] entfes- seln und mit unlenksamer Wut zu ihrer tierischen Befriedigung eilen“ , ge­ hören zum Wesen des Menschen und müssen durch Bildung gezähmt werden. Während Schiller zumindest anfänglich der Revolution nicht negativ ge­ genübergestanden war, hatte Goethe einen revolutionären Umsturz stets abgelehnt. Gewaltsame Veränderungen entsprachen seiner Meinung nach nicht den Gesetzen der Natur, die für ihn auf Evolution, nicht auf Revolution beruht. Doch auch Goethe erkannte, dass „die revolutionären Aufstände der unteren Klassen eine Folge der Ungerechtigkeiten der Großen sind. […] Revolutionen sind ganz un- möglich, sobald die Regierungen fortwährend gerecht […] sind, so dass sie ihnen durch zeitgemäße Verbesserungen entgegenkommen.“ Der Einfluss Kants auf Schiller Deutlich zeigt sich in dieser Wandlung Schillers der Einfluss der Philosophie Kants, den Schiller in diesen Jahren studierte. Das höchste Gesetz des Menschen ist das Sittengesetz, das bei Kant in der Form des „Kategorischen Imperativs“ lautet: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person als auch in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel gebrauchst.“ Johann Wolfgang von Goethe Friedrich Schiller 2 4 6 8 10 Nur zu Prüfzwecken – Eig ntum des Verlags öbv

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