Literaturräume, Schulbuch

104 sturm und drang (1770–1785/90) Die Ballade Schaurige Stoffe, das Wirken magischer, übersinnlicher Mächte, die Bestrafung menschlichen Fehlverhaltens und Konflikte zwischen Mann und Frau sind beliebte Themen der Ballade. Goethes kurze Ballade „Vor Gericht“ be­ handelt als eine der ersten das Thema der wegen einer unehelichen Schwangerschaft bloßgestellten Frau (2) . Das politische Gedicht Das Lob der Herrscher in Gedichten war eine bei den Fürsten beliebte und für Dichter als Einkommensquelle nicht unwichtige literarische Gepflogenheit der Barockzeit. Ganz anders der Sturm und Drang. Die Gedichte von Gottfried August Bürger , wie „Der Bauer an seinen durchlauchtigsten Tyrannen“ und die Aufsätze aus der „Deutschen Chronik“ von Friedrich Daniel Schubart verwandeln das Fürstenlob in Fürstenanklage, nicht zuletzt aufgrund persönlicher Erfahrungen mit Herrscherwillkür. Erstmals Thema der Lyrik wird das Leiden der als Skla­ ven verschleppten Afrikaner und der unterdrückten Eingeborenen in den Kolonien. Dies zeigt das Gedicht „Der Schwarze in der Zuckerplantage “ von Matthias Claudius (1740–1815) (3) . Das Drama: Die Auflösung der drei Einheiten Mit Goethes „Götz“ beginnt ein neues Theater Goethes „Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand“ (4) , dessen Urfassung der Autor 1771 in wenigen Wo­ chen niederschrieb, wird zum maßgeblichen Beispiel für die Dramen des Sturm und Drang. Die Handlung spielt in mehr als 50 Szenen, dauert mehrere Jahre und reiht oft ohne engen Zusammenhang Schauplätze und Akti­ onen aneinander. So frei ging Goethe mit den klassischen Dramenregeln um, dass ihn sein Freund Herder mahnte: „Shakespeare hat euch ganz verdorben.“ Die Figur des Renaissanceritters Götz wird zum Typus der Dramenfiguren des Sturm und Drang. Ihn charakterisieren Freiheitsdrang, das Gefühl der Einengung durch die Konventionen der Gesellschaft, der Kampf gegen Ungerechtigkeit, der Versuch, das Gesetz in eigene Hände zu nehmen und sich den Autoritäten Staat und Kirche zu widersetzen. Scharfe Kritik auch in den Dramen von Lenz und Wagner Die Dramen „Der Hofmeister“ und „Die Soldaten“ von Jakob Michael Reinhold Lenz, Goethes Freund aus der Straßburger Zeit, üben scharfe Sozialkritik. In Heinrich Leopold Wagners Stück „Die Kindermörderin“ sind die Standesschranken zwischen dem adeligen Liebhaber und der bürgerlichen Metzgerstochter nicht überwindbar. Die Ermordung des Neugeborenen durch die Mutter ist das Resultat der starren Gesellschaftsregeln. Wagners Drama führte zur Fehde mit Goethe, der ihm vorwarf, allzu direkt Szenen aus Goethes Faust-Entwurf, dem so genannten „Urfaust“, übernommen zu haben. Schillers Sturm-und-Drang-Dramen Große Theatererfolge erreicht Schiller mit seinen Dramen „Die Räuber“ und „Kabale und Liebe“ (5) . Die mehr als 1000 Zuschauer bei den „Räubern“ im Mannheimer Schauspielhaus geraten während der Uraufführung vor Begeisterung außer sich. Die 1781 entstandenen „Räuber“ und das 1784 aufgeführte bürgerliche Trauerspiel „Ka­ bale und Liebe“ sind gleichzeitig die letzten Dramen der Epoche. „Die Räuber“ thematisieren in emotionaler, von Kraftausdrücken und Hyperbeln strotzender Sprache die im Sturm und Drang beliebten Motive des Vater-Sohn- Konflikts und der feindlichen Brüder. Wie Goethes „Götz“ verzichtet Schiller auf Zeit-, Ort- und Handlungsein­ heit. „Kabale und Liebe“ attackiert vehement den schrankenlosen, die Macht missbrauchenden Absolutismus und das unmoralische Hofleben. Die Epik: Briefroman und Autobiographie Der Riesenerfolg des „Werther“ Trotz ihrer Vorliebe für Drama und Lyrik fühlten sich die „Stürmer und Dränger“ auch vom Roman herausgefor­ dert. Dass es für den Roman im Gegensatz zum Drama kein bindendes System von literarischen Regeln gab, kam Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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