Killinger Literaturkunde, Schulbuch

99 Das Gedicht führt drei Motive aus: den nächtlichen Ritt, die Begegnung mit der Geliebten und den Abschied von ihr. Johann Wolfgang Goethe Willkommen und Abschied 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 Fassung von 1771 Es schlug mein Herz. Geschwind, zu Pferde! Und fort, wild wie ein Held zur Schlacht. Der Abend wiegte schon die Erde, Und an den Bergen hing die Nacht. Schon stund im Nebelkleid die Eiche Wie ein getürmter Riese da, Wo Finsternis aus dem Gesträuche Mit hundert schwarzen Augen sah. Der Mond von einem Wolkenhügel Sah schläfrig aus dem Duft hervor, Die Winde schwangen leise Flügel, Umsausten schauerlich mein Ohr. Die Nacht schuf tausend Ungeheuer, Doch tausendfacher war mein Mut, Mein Geist war ein verzehrend Feuer, Mein ganzes Herz zerœoss in Glut. Ich sah dich, und die milde Freude Floss aus dem süßen Blick auf mich. Ganz war mein Herz an deiner Seite, Und jeder Atemzug für dich. Ein rosenfarbes Frühlingswetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zärtlichkeit für mich, ihr Götter, Ich hofft’ es, ich verdient’ es nicht. Der Abschied, wie bedrängt, wie trübe! Aus deinen Blicken sprach dein Herz. In deinen Küssen welche Liebe, 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 Fassung von 1827 Es schlug mein Herz; geschwind zu Pferde! Es war getan fast eh’ gedacht; Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hing die Nacht: Schon stand im Nebelkleid die Eiche Ein aufgetürmter Riese da, Wo Finsternis aus dem Gesträuche Mit hundert schwarzen Augen sah. Der Mond von einem Wolkenhügel Sah kläglich aus dem Duft hervor, Die Winde schwangen leise Flügel, Umsausten schauerlich mein Ohr; Die Nacht schuf tausend Ungeheuer; Doch frisch und fröhlich war mein Mut: In meinen Adern welches Feuer! In meinem Herzen welche Glut! Dich sah ich, und die milde Freude Floß von dem süßen Blick auf mich; Ganz war mein Herz an deiner Seite Und jeder Atemzug für dich. Ein rosenfarbnes Frühlingswetter Umgab das liebliche Gesicht, Und Zärtlichkeit für mich – Ihr Götter! Ich hofft’ es, ich verdient’ es nicht! Doch ach schon mit der Morgensonne Verengt der Abschied mir das Herz: In deinen Küssen, welche Wonne! 28 30 32 O welche Wonne, welcher Schmerz! Du gingst, ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit nassem Blick. Und doch, welch Glück, geliebt zu werden, Und lieben, Götter, welch ein Glück! 28 30 32 In deinem Auge, welcher Schmerz! Ich ging, du standst und sahst zur Erden, Und sahst mir nach mit nassem Blick: Und doch, welch Glück geliebt zu werden! Und lieben, Götter, welch ein Glück! 2. Diskutieren Sie die folgenden Aspekte zu Willkommen und Abschied in der Fassung von 1771: • Kommentieren Sie, wie das lyrische Ich die Natur erlebt. Nennen Sie dazu einzelne Bilder und Vergleiche. Textvarianten ve68a3 DER STURM UND DRANG | 1770 – 1785 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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