Killinger Literaturkunde, Schulbuch

77 hold Ephraim Lessing lebten – zumindest zeitweilig – als freie Schriftsteller. Dies war nur möglich, weil die Produktion schöngeistiger Bücher in der Zeit der Aufklärung auf das Vierfache stieg. Die Zentren der Handelstätigkeit (Hamburg, Leipzig, Frankfurt, Berlin, Bremen) waren zugleich Zentren literarischer und philosophischer Gesellschaften und des Verlagswesens. Von 1450 bis etwa 1700 waren Drucker, Verleger und Buchhändler in der Regel in einer Person vereinigt. Die Bücher wurden einmal im Jahr auf den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt am Main angeboten. Die Käufer mussten sich für das kommende Jahr versorgen. Feste Preise gab es keine. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich ein arbeitsteiliger literarischer Markt nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten: Verleger beauftragten Druckereien mit der Herstellung von Büchern. Die Bücher wurden über so genannte Sortimentsbuchhändler weitervertrieben. Bei ihnen konnte man das ganze Jahr über kaufen, und zwar zu festen Preisen. Dieses Produktions- und Verteilersystem hat sich bis heute erhalten. Ein Urheberrechtsgesetz gab es allerdings im 18. Jahrhundert noch nicht. Das bedeutete: Jeder konnte Bücher nachdrucken (Raubdrucke) und billig auf den Markt werfen, weil auf Autoren- und Verlegerrechte keine Rücksicht genommen werden musste. Daher zahlten die Verleger den Schrift- stellern meist nur geringe Honorare für die Manuskripte und brachten nur Auflagen mit geringer Stückzahl heraus. So konnten nur wenige, besonders angesehene Autoren von ihren Tantiemen leben. Goethe beispielsweise erhielt von 1795 bis zu seinem Tod jährlich etwa 3.000 Taler von sei- nem Verleger, Schiller dagegen zuerst 400, dann 800 und kurz vor seinem Tod etwa 1.400 Taler. (Zum Wertvergleich: Ende des 18. Jahrhunderts bekam man für einen Taler zwölf Kilogramm Brot; ein Maßanzug kostete 20 Taler.) Viele Autoren versuchten dadurch zu überleben, dass sie nach dem Geschmack der Leserschaft schrieben und zu Lohn- und Trivialschriftstellern wurden. Nur ein kleiner Teil der Autoren beugte sich nicht den Gesetzen des Marktes und produzierte nach seinem künstlerischen Gewissen. Neben dem Buchhandel mit gehobener und noch mehr trivialer Literatur gab es – vor allem seit der Mitte des Jahrhunderts – ein ausgedehntes Zeitungs- und Zeitschriftenwesen, das allerdings weniger das Tagesgeschehen vermittelte (dazu waren Herstellung und Verteilung zu langsam), sondern ge- sellschaftliche, religiöse, moralische, ästhetische und literarische Ideen „für das gebildete Publikum“ zu verbreiten suchte. Die einzelnen Nummern waren nicht im freien Verkauf erhältlich, sondern mussten abonniert werden. Die Redaktion der Zeitschrift bestand häufig nur aus ihrem Begründer und einigen freien Mitarbeitern. Meist wurden die Zeitschriften nach wenigen Nummern eingestellt. Vorbilder für diese Moralischen Wochenschriften fanden sich in England, wo sich die Aufklärung mit moralischen Bestrebungen verband, die aus dem strenggläubigen Puritanismus (Protestantismus) kamen. Diese Moralischen Wochenschriften verbreiteten die neuen wissenschaftlichen und sittlichen Anschauungen im gehobenen Bürgertum und wirkten in hohem Grad meinungsbildend. Gottscheds theaterreform Für die Entwicklung der deutschen Literatur hatte das Wirken des Ostpreußen Johann Christoph Gottsched (1700 – 1766) große Bedeutung. Gottsched war Professor in Leipzig und setzte sich mit Strenge für eine Reform der Sprache, der Dichtkunst und besonders des Theaters ein. Sein Kampf gegen den blumigen Schwulst der Sprache in der späten Barockzeit ist eines seiner unbestreitbaren Verdienste. Gottsched war – mit den Philosophen seiner Zeit (Gottfried Wilhelm Leibniz und Christian Wolff) – der Meinung, dass unsere Welt die beste aller möglichen Welten sei. Die Dichtung hat für ihn die Aufgabe, die Vollkommenheit und vernünftige Ordnung der Welt widerzuspiegeln. Sie muss belehren und erzieherisch wirken und darf nicht über die Beschreibung der wahrnehmbaren Natur Buchmarkt Vernünftige dichtung 2wc84q die auFKlÄrunG | 1700 – 1770 Nur zu Prüfzwecken – Eigentu des Verlags öbv

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