Killinger Literaturkunde, Schulbuch

67 1 Buhle: Geliebter 11. Analysieren Sie die Absichten Bidermanns: • Beschreiben Sie, was für einen Christus Bidermann darstellen lässt. • Stellen Sie Vermutungen darüber an, welche Absicht er damit verfolgt. Der Mensch lebt – so sah man es im Barock – sein irdisches Dasein zwischen Himmel und Hölle, Christus und dem Teufel; er ist Gegenstand und Schauplatz ihres Ringens. Kräfte des Guten und des Bösen wirken in ihm. Bidermann führt sie den Zuschauern in menschlicher Gestalt („personifiziert“) vor Augen: den Schutzengel des Doktors, seine Seele und sein warnendes Gewissen auf der Seite des Guten; auf der anderen Seite die Heuchelei (Gleisnerei), die Eigenliebe, die Krankheit und den Tod. Beide Gruppen setzen alles daran, Cenodoxus auf ihre Seite zu bringen. Denn der Mensch kann sich frei für das Gute oder für das Böse entscheiden. Deswegen muss er auch alle seine Schuld und die Strafe dafür auf sich nehmen. Das Stück soll stärker als hundert Predigten gewirkt haben. Manche Zuseher/innen sollen vom Schauplatz weg ins Kloster gegangen sein. 12. Vergleichen Sie mit dieser Auffassung das Ende Jedermanns, wie es Hugo von Hofmannsthal 1911 in seinem gleichnamigen Stück nach einer mittelenglischen Vorlage dargestellt hat. 5 10 15 20 25 TEUFEL (setzt sich auf den Boden) : Ich frage, sind hier Zweifel im Spiel, Ist hier ein Handel in der Schweb? Nichts davon, nichts, so wahr ich leb. Sitzt einer hier unter euch allen, Der ins Gesicht mir tät bestreiten, Dass dieser Mensch mir ist verfallen! Ein prächtig Schwelger und Weinzecher, Ein Buhl 1 , Verführer und Ehebrecher, Ungläubig als ein Œnstrer Heide, In Wort und Taten frech vermessen Und seines Gottes so vergessen Wie nicht das Tier auf seiner Weide, Witwen und Waisen Gutsverprasser, Ein Unterdrücker, Neider, Hasser! (Er springt auf.) Mir fehlen, ihn zu malen, die Wort! Und diesen will man mir verwehren, Dass ich ihm auf die Kappen geh, Ihm jählings das Genick umdreh, Ihm zuschrei: Duck dich, Fleisch, und stirb! [...] GLAUBE: Auf deiner Seiten steht nit viel, Hast schon verloren in dem Spiel, Gott hat geworfen in die Schal Sein Opfertod und Marterqual Und Jedermannes Schuldigkeit Vorausbezahlt in Ewigkeit [...] fb9k3t DAS BAROCK | 17. JAHRHUNDERT Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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