Killinger Literaturkunde, Schulbuch

52 DAS BAROCK 17. JAHRHUNDERT DIE poL I T I scHEn, soZ IALEn unD kuLTuRELLEn fAkToREn Noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts lief die Gegenreformation an: Die Beschlüsse des Konzils von Tri- ent (Reaktion der katholischen Kirche auf die Reformation) wurden mit dem Ziel wirksam, den Einfluss der Reformation zurückzudrängen. Der Jesuitenorden gewann als Träger der Gegenreformation an allen katholischen Fürstenhöfen ent- scheidenden Einfluss. Die Gegensätze zwischen Katholizismus und Protestantismus, zwischen dem Kaiser, der das Reich und den alten Glauben erhalten wollte, und den protestantischen Fürsten, die nach Selbständigkeit strebten, wurden immer unüberbrückbarer. 1618 kommt es zum „Großen deutschen Krieg“, der 30 Jahre dauerte und in den mehrere europäische Mächte, vor allem Frankreich und Schweden, eingriffen. Landsknechtheere zo- gen kreuz und quer durch deutsche Länder, zerstörten Städte, zündeten Dörfer an, pressten Bürger und Bauern aus. Dabei kam es zur raschen Ausbreitung von Seuchen. Der Grad der Zerstörung war landschaftlich sehr verschieden; manche Gebiete blieben verschont, manche Dörfer waren gänzlich verödet. Etwa ein Drittel der Bevölkerung kam durch Krieg, Krankheit (Pest) und Hunger um. Die Landwirtschaft lag darnieder, die Bürger waren großteils verarmt. Die Vormachtstellung der Habsburger im Reich war endgültig vernichtet. Das Reich zerfiel in Dutzende von Kleinstaaten, die „souverän“ (unabhängig) wurden. Die Vormachtstellung Frankreichs in Europa war gefestigt. Träger der Barockkultur wurden die Fürstenhöfe. Die Herrscher – weltliche wie kirchliche – regierten absolut und ahmten das Vorbild des französischen Königshofes in Versailles nach. Fürsten herrschten „von Gottes Gnaden“ und waren nur Gott gegenüber für ihr Tun verantwortlich. Ein neuer Hofadel entstand, dessen Aufgabe es war, ein strenges Zeremoniell zur Erhöhung, ja Ver- göttlichung des Fürsten einzuhalten. Prunkvolle Schlösser wurden gebaut, weitläufige Parkanlagen zeigten die Beherrschung der Natur: Die Bäume wurden zu Kugeln und Kegeln geschnitten, die Blumenbeete nach geometrischen Figuren angelegt (französischer Gartenstil). Der Adel feierte Feste, er tanzte in abgemessenen Schritten, jede Bewegung war gleichförmig und geplant. Die Perücke, die aufwendige Kleidung (der Reifrock) machten die Menschen zu überdimensionalen Puppen eines großen Welttheaters, das zum Sinnbild für die Zeit wurde. Religiöse und politi- sche Gegensätze Krieg, Pest und Not Fürstenhöfe als Träger der Kultur Hyacinthe Rigaud, Ludwig XIV. von Frank- reich im Krönungsornat, 1701: vollendeter Ausdruck des absoluten Herrschers, der nur Gott gegenüber verantwortlich ist. Der Ludwig zugeschriebene Ausspruch „Der Staat bin ich“ ist historisch nicht verbürgt. Nu zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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