Killinger Literaturkunde, Schulbuch

47 Der Schwank ist eine kurze lustige Erzählung in Versen oder in Prosa, tritt aber auch in Dialogform auf und wurde dann szenisch dargeboten. Es entstanden Schwanksammlungen, die gern zum Zeit- vertreib auf Reisen gelesen wurden. So erklären sich Titel wie Das Rollwagenbüchlein (Jörg Wick- ram) und Der Wegkürzer (Martin Montanus). Schwanksammlungen, die sich um eine bestimmte Figur oder Figurengruppe ranken, wurden manchmal zu Volksbüchern, deren bekannteste Till Eu- lenspiegel und Die Schildbürger sind. Das mit dem Schwank verwandte Fastnachtspiel entwickelte sich aus den städtischen Fastnachtsfei- ern. Zunächst wurden bei kostümierten Umzügen von einzelnen Teilnehmern derb-komische Sprü- che vorgetragen, später übernahm eine Spielgruppe den Vortrag, auf Rede folgte Gegenrede, es entstand ein Dialog. Hinzu kam das Spielen einer einfachen Handlung, wobei Verwechslungen, Ver- kleidungen, Prügelszenen, derbe Witze und sexuelle Anspielungen den größten Erfolg beim Publi- kum hatten. Wegen der Derbheit vieler Werke der Zeit nennt man die Periode auch Grobianismus. Hans Sachs aus Nürnberg, Verfasser zahlreicher Fastnachtspiele, bemühte sich, diese Form literarisch zu heben. Von ihm stammt das Fastnachtspiel mit 6 Personen, haist Der Kremerkorb . Der Knecht soll für seinen Herrn Wein holen, verspätet sich und entschuldigt sich mit einem außer- gewöhnlichen Erlebnis, das er unterwegs hatte: 2 4 6 8 Ach, mein Herr, zuernet 1 nit darumb! Ich kam zu aim selczamen Straus 2 , Dort oben bei dem „Guelden Horn“ Da het ein Kremer mit Spiel verlorn Sein Gelt, drumb det sein Weib in plagn Und wolt den Kremerskorb 3 nit tragn, Und gaben also Wort umb Wort, Bis doch der Kremer an dem Ort Den Korb sie wolt zu tragen nöten. 4 Über diesen Streit des Krämerpaares geraten sich nun ein anderer Herr und seine Frau in die Haare. 2 4 6 8 10 Der Herr spricht: Wer ich den gwest der Kremersmon, Wen ich gleich het verspilt das Gelt, Het drumb nit tragen über Felt Den Korb. Es gehört den Frauen zu, Das jede den Korb tragen thu, Weil sie zu tragen sint verp icht Tag und auch Nacht, wie man den spricht: Der Man, der sol sein Herr im Haus, Die Herrschaft phalten 5 gar durchaus. 1 jemandem zürnen: jemandem böse sein 2 Straus: Streit 3 Kremerskorb: Korb mit Handelswaren 4 jemanden nöten: jemanden nötigen, zu etwas zwingen 5 phalten: behalten x96h98 RENAISSANCE, HUMANISMUS, REFORMATION | 1450 – 1600 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=