Killinger Literaturkunde, Schulbuch

43 Die überregionale Sprache der Humanisten war das Lateinische. Der Humanismus erzielte daher keine Breitenwirkung, sondern blieb auf eine relativ kleine Zahl von Gelehrten und auf die Uni- versitäten beschränkt. Dennoch strahlte er in die kommenden Jahrhunderte aus und bewirkte ein Fortleben der griechischen und römischen Antike, neben dem christlichen Glauben eine Säule der europäischen Kultur. Vertreter des Humanismus nördlich der Alpen waren Erasmus von Rotterdam, Johannes Reuchlin und Conrad Celtis, der zuletzt in Wien lehrte. Unter Reformation versteht man eine religiöse Bewegung zu Beginn des 16. Jahrhunderts, die ihre Wurzeln im ausgehenden Mittelalter hatte und schließlich zur Kirchenspaltung führte. Reformatori- sche Bewegungen entstanden in weiten Teilen Europas. Reformatoren im deutschen Sprachraum: Deutschland: Martin Luther (1483 – 1546) Schweiz: Ulrich Zwingli (1484 – 1531), Johannes Calvin (1509 – 1564) Im Jahre 1517 veröffentlichte Martin Luther (Augustinermönch und Universitätsprofessor) in Wit- tenberg 95 Thesen in lateinischer Sprache, mit denen er Kritik an den Zuständen in der Kirche anbringen und eine Diskussion darüber anregen wollte. Es folgte ein harter theologischer Streit zwischen Luther und den „Papisten“, den Anhängern des römischen Papsttums. Luther wollte – dies verbindet ihn mit den Humanisten – auch eine Erneuerung, allerdings die des christlichen Glaubens. Er verwendete zu diesem Zweck die Methode der Humanisten, nämlich das Studium der antiken Quellen: Er lehnte die lateinische Bibel und die Überlieferung der Kirchenväter ab und berief sich auf den griechischen Urtext des Neuen Testaments und auf den hebräischen Text des Alten Testaments. Theologisch weicht Luther in zwei Punkten von den „Papisten“ ab: • Er schaltet die Kirche (den Theologen) als Vermittler zwischen Mensch und Gott aus (z. B. Ableh- nung der Ohrenbeichte). Jeder kann selber zu den Glaubenswahrheiten finden. • Der Mensch erwirbt das ewige Leben nicht aufgrund seiner eigenen guten Werke (Ablehnung der Ablassbriefe); nur die Gnade Gottes und die Erlösertat Christi können den Menschen von seiner Sündhaftigkeit befreien. REfoRMAT IonsL I TERATuR Neben seiner Tätigkeit als Reformator war Martin Luther auch ein vielseitiger Autor. Er schrieb be- deutende Kirchenlieder, übersetzte die Fabeln des Aesop ( Etliche Fabeln aus dem Esopo verdeutscht , 1530) und verfasste eine Reihe von Flugschriften, Predigten und Kampfschriften (z. B. An den christlichen Adel deutscher Nation , 1520, Von der Freiheit eines Christenmenschen , 1520, Wider die räuberischen und mörderischen Bauern , 1525). Sein wichtigstes Werk war jedoch seine Bibelübersetzung. Aus der Überzeugung, dass auch die Laien einen unmittelbaren Zugang zu Gottes Wort haben müssten, übertrug Luther die Bibel in eine zeitgemäße sprachliche Form, die rasch großen Anklang in der Bevölkerung fand. Zunächst veröf- fentlichte er 1522 die Evangelien, übersetzt aus dem griechischen Urtext. Nach mehreren Teilveröf- fentlichungen erschien die Gesamtausgabe der Bibelübersetzung erstmals 1534. Erneuerung des Glaubens Bibel in zeitgemäßer Sprache z5z3p3 RENAISSANCE, HUMANISMUS, REFORMATION | 1450 – 1600 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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