Killinger Literaturkunde, Schulbuch

414 Figur, die alle Lacher auf ihre Seite bringt: der Hanswurst, der Pickelhering, der Harlekin, der Schelm, der Diener. In der Dienerrolle kommt die lustige Figur noch bei Raimund (Lorenz in Der Bauer als Millionär , vgl. Seite 190ff.) und bei Nestroy vor. Die einfachste Art, eine Figur zu charakterisieren, ist die Zuteilung eines sprechenden Namens: Sim- plicissimus (Grimmelshausen), Rappelkopf (Raimund). Eine ähnlich einfache Möglichkeit der Charak- terisierung ist das „schmückende Beiwort“ (Epitheton ornans), das mit dem Namen fest verbunden ist: der listenreiche Odysseus (Homer), der lendengewaltige Selcher (Wildgans), der fäusteschütteln- de Moses; die Herren mit den unbeherrschten Beinen (Thomas Mann). Von flacher Charakterisierung spricht man, wenn die Figur nur eine oder einige wenige Eigen- schaften hat, wie im Märchen, im Schwank, in der Typenkomödie (Molière), im Volksstück, in der Trivialliteratur (Krimi). Runde Charakterisierung kann auf zweierlei Weise erfolgen: direkt (die Eigenschaften werden ge- nannt) und indirekt (die Zuschauer/innen bzw. Leser/innen müssen die Eigenschaften aus dem Ver- halten und Sprechen der Figur erschließen). Die Figuren stehen in einem Beziehungsfeld; sie sind darin aufeinander bezogen, keine ist zufällig oder funktionslos. Die Figurenkonstellation ist ein Teil der Planung. Häufig werden zwei gegensätz- liche Charaktere (Kontrastfiguren) einander gegenübergestellt, weil sich daraus Konflikte ergeben und damit Positionen geklärt werden können (Götz – Weislingen; Franz und Karl Moor, vgl. Seite 110ff.; Maria Stuart – Elisabeth I.; Don Carlos – Marquis Posa, vgl. Seite 151f.). Konkurrierende (ähnliche) Figuren werden vermieden. Ein Soziogramm macht die Gruppierung der Figuren deutlich. In Kabale und Liebe z. B. lassen sich die Figuren nach den Ständen ordnen. Die Verbindung zwischen den beiden Gruppen stellen einer- seits Ferdinand, andererseits Wurm her. Adelige Ferdinand Bürgerliche Lady Milford Präsident von Kalb Luise Vater Miller Mutter Wurm foRMEn gEBunDEnER spRAcHE „Gebunden“ ist die Sprache, wenn der Text in Versen dargeboten wird. Verse sind nicht auf das lyrische Gedicht beschränkt, auch die Ballade und das Epos sind in Versen geschrieben; der Schwank, die Fabel, das Drama können in Versen abgefasst sein. Das Gegensatzwort ist Prosa. Vers Vers nennt man eine Zeile in gebundener Sprache, wobei betonte und unbetonte Silben annähernd regelmäßig verteilt sind. Sprechende Namen Charakterisierung Kontrastfiguren Soziogramm Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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