Killinger Literaturkunde, Schulbuch

409 Fabelmotive: die Unterdrückung des Schwächeren, die Hilfe des Schwächeren, die Überrumpelung des Dummen, die Brutalität des Stärkeren u. a. Lyrische Motive: Liebesleid, Herbst, Todesahnen, Einsamkeit, Freude über das Erwachen der Natur im Frühling. Das Leitmotiv ist ein besonders wichtiges Motiv, das innerhalb eines Werkes wiederholt auftritt. Leitmotiv kann das Erscheinen einer bestimmten Figur oder eines bestimmten Gegenstandes sein (Dingsymbol), eine Melodie, ein Vers, aber auch eine einprägsame, gleichförmig wiederkehrende Aussage einer Person. Das Leitmotiv tritt an den entscheidenden Stellen auf. Es gliedert den Text in Abschnitte und Sequenzen. Unter dem Sammelbegriff Form kann man folgende Erscheinungen betrachten: – die in einem Text auftretenden Merkmale der Gattungsform (z. B. Ballade, Kurzgeschichte, Novelle); – die innere Struktur (den Aufbau der Handlung); – die Gliederung in Strophen, Akte, Bilder, Abschnitte, Kapitel u. a.; – Vers, Versmaß, Rhythmus, Reim; – Erzählform (Ich-Form, Er/Sie-Form); – Erzählverhalten (auktoriales, neutrales und personales Erzählverhalten, Bewusstseinsstrom- technik). Form kann sich nur an einem Stoff realisieren, und umgekehrt kann Stoff nur in einer bestimmten Form erscheinen. ERZäHLpERspEkT IvE Die Erzählerin oder der Erzähler kann verschiedene Standorte beziehen, von denen aus sie bzw. er das Geschehen darstellt (Erzählperspektive oder point of view): Ähnlich wie die Filmkamera kann sie bzw. er weiter entfernt stehen und einen größeren Überblick bieten (Totale). Sie oder er kann aber auch nahe an ihre oder seine Figuren, an die Dinge herangehen und Vorgänge aus der Nähe schildern (Detail). Ihre bzw. seine Position kann außerhalb der Figuren sein, es kann aber auch die Innensicht gewählt werden. Selbst die oder der auktoriale (allwissende) Erzählerin oder Erzähler wählt mitunter die Innensicht und teilt mit, was die Figur denkt, fühlt, will. Auktoriales Erzählverhalten: Ein außenstehender Erzähler führt die Leser/innen durch das Gesche- hen, erläutert, kommentiert und beurteilt es (z. B. Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre , vgl. Seite 152ff.). Er ist allwissend und kann sich bei Bedarf in die Personen hineinversetzen. Je nach Anlage greift der auktoriale Erzähler in die Erzählung ein und kann auch sein Verhalten kommentieren. Neutrales Erzählverhalten: Das Geschehen wird „objektiv“ dargestellt; der Erzähler vermittelt es kommentarlos aus der Distanz des neutralen Beobachters (z. B. Fontane, Effi Briest , vgl. Seite 217f.) Personales Erzählverhalten: Das Geschehen wird aus der Sicht einer Person der fiktiven Handlung dargestellt. Wir begegnen einer Romanfigur, die denkt, fühlt, wahrnimmt, urteilt, aber nicht wie ein Erzähler zur Leserschaft spricht. Dieses Erzählverhalten findet sich in vielen Romanen der Gegen- wartsliteratur. Dabei wird auf den Anspruch der Allwissenheit verzichtet. Die Leser/innen werden auch nicht direkt angesprochen. Damit werden eine größere Nähe zu den Charakteren und auch eine höhere Glaubwürdigkeit erreicht. Die radikalste Form des personalen Erzählverhaltens stellt der innere Monolog dar (vgl. Seite 244). Die Erzählfigur kann als Ich-Erzähler oder als Er-/Sie-Erzähler auftreten. 8y444e ALLGEMEINE MERKMALE VON TEXTEN Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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