Killinger Literaturkunde, Schulbuch

394 1 5 10 Hedwig Courths-Mahler Die schöne Unbekannte (1918) Und jetzt erblickte der eine der Herren dort oben auf dem Balkon die reizende Gaby von Rosen, deren liebliches Gesicht selbst wie eine Rose blühte, und deren tiefblaue Augen wie glücksuchend auf das frohe Treiben zu ihren Füßen niederblickten. Im selben Moment tauchten die beiden jungen Augenpaare ineinander und blieben gebannt eine Weile aneinan- der hängen. Ein AuŸeuchten im Antlitz des jungen Mannes bewies sein Entzücken über die reizende Erscheinung. Dann griff er in den Blumenkorb neben ihm. Seine Gestalt reckte sich, und sicher gezielt Ÿog ein Rosenstrauß der jungen Dame an die Brust. Sie fasste danach wie im Traum und konnte ihre Augen nicht von den seinen lösen, obwohl sie unter seinen Blicken erglühte. 84. Untersuchen Sie diesen Textausschnitt hinsichtlich der stilistischen Mittel. Nennen Sie die Mittel, die die Autorin einsetzt, und analysieren Sie, was sie damit erreicht. Die trivialen Liebes- und Heimatromane des 19. Jahrhunderts haben ihre Nachkommen in den Heft- chenromanen unserer Zeit, die allerdings in der Erotisierung der Leser/innen wesentlich weiter ge- hen. 1 5 10 15 Petra Röder Ihr schönster Sommertraum (o. J.) Behutsam, um nicht durch eine heftige Bewegung ihrem verletzten Fuß wehzutun, zog er sie an sich, streichelte sie und drückte sein Gesicht in ihr duftendes blondes Haar. Er küsste sie andächtig und beschrieb mit dem Finger sanfte Kurven in ihrem Gesicht, dem schönen Schwung des Mundes, der geraden Linie der Nase und dem aparten Schnitt der Augen folgend. „Oh, Liebling, dass ich dich küssen darf! Dass so etwas Schönes mir gehört!“, Ÿüsterte er selig. Auch Birgit gab sich mit ganzem Herzen seinen Zärtlichkeiten hin. Dann wieder plauderten sie und erzählten sich gegenseitig etwas aus ihrem Leben. Sie kannten einander ja nicht. Jeder war für den anderen noch eine fremde Welt. „Es macht mir Spaß, mich mit dir zu unterhalten“, versicherte Birgit ihm. „Du bist ganz anders als die jungen Leute in Hamburg, diese Studenten. Sie verfechten oft große Theorien, aber ihren Worten fehlt die Realität. Was du sagst, ist alles vernünftig.“ „Danke, Birgit!“ Er strahlte bei diesem Lob. „Auch ich spreche gern mit dir. Du bist anders als die Mädchen im Dorf. Sie genügen mir nicht. Sie kichern und klatschen, und das lang- weilt mich. Du bist klug. Du gibst Antworten, über die ich nachdenken kann. Aber niemals bist du hochmütig.“ 85. Vergleichen Sie diesen Textausschnitt mit dem Beispiel aus Die schöne Unbekannte : • Benennen Sie Ihnen bekannte Stilmittel. • Begründen Sie, warum solche Texte für Leser/innen attraktiv sind. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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