Killinger Literaturkunde, Schulbuch

370 1 5 das steirische JODELN deˆnition: JODELN ist die mittels steirischer menschlicher stimmbänder in zeitlupe über- setzte sprache der steirischen vögel. besonders der kernsteirer versteht es sehr gut zu jodeln; das ist auch nicht verwunderlich, stammt er doch aus dem steirischen obstgebiet, auf dessen obstbäumen sich alle singvögel gerne niederlassen, um von dort mit dem kernsteirer zu sprechen. („… i bin a steirerbua – und hob a kernnatur …“). da der steirer eine gute merkgabe hat, jodelt und singt er so schön wie kein anderer mensch; deshalb ist die steiermark auch das land der schönsten volkslieder in der ganzen welt. 1 5 10 15 Die steirische Liebesgeschichte an einem strahlenden aprilmorgen des jahres 1966 steht hödlmoser brunftig wie ein hirsch von seinem harten bett auf. des nachts hat er sich öfters unruhig umhergewälzt. er wäscht seinen ganzen körper mit dem quellklaren, eiskalten brunnenwasser, was auch seine selige mutter, die alte hödlmoserin, öfters mit ihm gemacht hat. schnell treibt er noch sein rindvieh auf die wiese, und dann trinkt er zum frühstück 2 krügel most. nachdem er auch noch ein schweres stück speck gegessen hat, treibt ihn die brunft fort von seinem einsamen hof. „heut soll mir nur das kittelvolk unterkommen!“, lacht hödlmoser auf dem weg nach kum- pitz. als ihm unterwegs die kuhtreibende leni vom moarhof, die ja schon 5 kinder hat und mit dem moarbauern gut verheiratet ist, begegnet, schäkert er sogar mit dieser, obwohl er sonst nie etwas zu ihr gesagt hat, weil sie schon recht alt ist. leni hat sich sehr gewundert und auch ein bisschen gefreut darüber. aber dann hat sie doch gesagt: „nein, nein, mein lieber!“ dann ist hödlmoser eben weiterge- gangen und hat gesagt: „scheiß drauf!“ und gleich darauf hat er auch schon 2 schöne jodler gesungen, die er in der schule gelernt hatte und bis zum heutigen tag nicht vergessen hat. […] 1 5 10 Regieanweisung zur Szene Hödlmoser/Fani hödlmoser und fani sind im wald. fani und hödlmoser betreten die verschiedensten waldwege. in der mitte eines der waldwege unterbricht hödlmoser seine bisherige kommunikation mit fani. sie hat im vollzug creativen sich-in-die-augen-sehens bestanden. nun spricht hödlmoser: „kannst du das futurum antizipieren?“ die so angefragte fani errötet leicht, denn längst hat sie den hintergründigen sinn transzen- diert. „du, du!“ denkt fani; aber sie sagt es nicht hödlmoser, denn sie will sich nicht in eine vorge- täuschte opposition zu hödlmoser begeben. da tritt hödlmoser auf fani zu. Nur zu Prüfzwecken – Eig ntum des Verlags öbv

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