Killinger Literaturkunde, Schulbuch

333 20 25 30 35 40 45 50 55 60 OTTO: Das ist eine Bestie, dein Sohn, wenn einem die Augn aufgehn. Nickt . Das is klar, dass den keiner nimmt, weil man es ihm ansieht. Die Personalleiter ham die gschulten Blick, die sehn es gleich: Das is ein Dieb, der Herr! Jetzt zähl ich bis drei, dann liegt der Fünfzig- markschein auf dem Tisch. Eins, zwei, drei. Schaut . LUDWIG reagiert nicht . OTTO springt wieder auf, rennt ins Wohnzimmer, reißt an Ludwigs Schublade, wirft sie heraus, kramt alles durcheinander, zerreißt die Plakate, sucht, ‡ndet nichts, kommt zurück, schaut seinen Sohn an. MARTHA: Gib die fünfzig Mark zurück, Ludwig, und tu den Papa nicht reizn. LUDWIG schaut . OTTO: Hörst ned, was die Mama sagt? – Er hört nicht. Verstockt. Aber ohne mich. Mit dir werd ich immer noch fertig, wenn es sein muss. LUDWIG schaut . MARTHA weint . OTTO: Leg das Geld auf den Tisch, wo du es hast. LUDWIG schaut und reagiert nicht . OTTO schaut : Hosn runter. LUDWIG schaut . OTTO: Hosn runter, hab ich gsagt, oder muss ich nachhelfen. Pause . LUDWIG reagiert nicht, dann zieht er seine Jeans aus . OTTO packt sie sofort und durchsucht sie, er ‡ndet nichts : Weiter gehts! LUDWIG schaut, dann zieht er seine Lederjacke aus . OTTO durchsucht sie, ‡ndet nichts . LUDWIG schaut . OTTO wild : Gib die fünfzig Mark her, bring mich ned zum Äußersten, das sag ich dir. Schreit . Gib mein Geld zurück. LUDWIG schaut . OTTO: Wo hast es versteckt, sag es freiwillig. LUDWIG schweigt . OTTO: Weiter ausziehn, der Herr! Tempo, das is ein Befehl. LUDWIG beginnt plötzlich zu weinen, die Tränen rinnen ihm vollkommen unkontrolliert über die Wangen, zugleich zieht er sich weiter aus, am Ende steht er nackt da . OTTO steht starr, schaut, er kann nichts mehr tun, er starrt seinen Sohn an, wie der so dasteht, von den fünfzig Mark ist trotzdem keine Spur. Große Pause . OTTO plötzlich leicht, wie entschuldigend : Vor die Eltern braucht man sich nicht geniern, weil sie einen schon als kleinen Bubn gsehn ham. Nickt . Pause. MARTHA verdeckt ihr Gesicht, sie will Ludwig nicht nackt sehen . OTTO: Hast einen Stolz, weilst schlau bist und gibst es nicht preis, das Geheimnis. Nickt . Das kennt man! Kleine Pause. Aus dir wird nie was, das garantier ich dir, da kannst Gift drauf nehmen. Ich kenn die Welt, solche wie dich könnens nicht brauchen, das is sicher wie das Amen in der Kirchn. Mir bist du nicht nach. LUDWIG schaut seinen Vater an, ruhig und weinend : Lieber tot, als so wie du. q3ra83 DEUTSCHSPRACHIGE LITERATUR NACH 1945 Nur zu Prüfzwecken – E gen um des Verlags öbv

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