Killinger Literaturkunde, Schulbuch

301 hatten. Daneben trat eine neue Generation von Schriftstellerinnen und Schriftstellern in den Vor- dergrund, die zwar Krieg und Nazizeit erlebt hatte, aber erst danach schriftstellerisch tätig wurde. In der unmittelbaren Nachkriegszeit gewannen literarische Zeitschriften zunächst an Bedeutung, da sie Publikationsmöglichkeiten besonders auch für die junge Generation der Schriftsteller/innen ermöglichten. Das Zusammenleben der Generationen gestaltete sich unproblematisch, ältere Schrift- steller/innen traten als Mentor/innen der jüngeren auf. Die junge Generation gewann im deutschen Sprachraum zunehmend an Anerkennung, was sich auch am Interesse der Gruppe 47 an Autorinnen und Autoren wie Ingeborg Bachmann, Ilse Aichin- ger und Paul Celan (1920 – 1970) zeigt, die 1952 zu einem Treffen eingeladen und ausgezeichnet wurden. Thematisch konzentrierten sich die literarischen Arbeiten einerseits auf die Anknüpfung an die Tra- ditionen der Vorkriegszeit bzw. der Monarchie und auf die Behandlung der Erfahrungen in der Kriegszeit, andererseits wurden auch Zeiterscheinungen wie Kalter Krieg und Wirtschaftswunder behandelt. Die „Wiener Gruppe“ um H. C. Artmann (1921 – 2000) setzte durch ein besonderes Sprachbe- wusstsein und experimentelle Texte neue Akzente. In den 1960-er Jahren wurden Peter Handke (geb. 1942) und Thomas Bernhard (1931 – 1989) einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Beide setzen sich mit der bürgerlichen Gesellschaft der Zeit auseinander und provozieren gerne durch die verwendete Form und auch die Inhalte. In Graz tritt eine Schriftstellergruppe mit dem Namen Grazer Autoren Versammlung (GAV) in den Vordergrund, die im „Forum Stadtpark“ ihr Zentrum findet und der namhafte Autorinnen und Au- toren um Alfred Kolleritsch (geb. 1931), den Herausgeber der Literaturzeitschrift „manuskripte“ , angehören (u. a. Wolfgang Bauer, Barbara Frischmuth, Peter Handke, Gerhard Roth). Um 1970 tritt Elfriede Jelinek (geb. 1946) auf den Plan und gehört seit dieser Zeit zu den wich- tigsten österreichischen Schriftstellerinnen. Ihre Themen kreisen oft um die Identität der Frau, ihre Unterdrückung und ihr Selbstverständnis, andererseits zeugen ihre Texte von einem sehr hohen Sprachbewusstsein (vgl. Seite 336ff.). Im Jahr 2004 erhielt Elfriede Jelinek den Literatur-Nobelpreis. Parallel dazu erfolgt die Auseinandersetzung mit dem Heimatbegriff in Form einer neuen, kritischen bis satirischen Heimatliteratur. Die Tradition des Volksstücks wird ebenso kritisch weitergeführt. Zahlreiche Texte nicht nur lyrischer Art beschäftigen sich mit Sprachexperimenten und neuen Aus- drucksformen, eine Tradition, die sich aus den 1950-er Jahren fortsetzt und u. a. mit Namen wie Ernst Jandl (1925 – 2000) und Gert Jonke (1946 – 2009) verbunden ist. Seit den 1980-er Jahren erfolgt eine Hinwendung zur fiktionalen Bearbeitung von Stoffen auf der Basis von realen Ereignissen und historischen Fakten. Die Auseinandersetzung mit der österreichischen Vergangenheit, besonders durch Thomas Bern- hard, prägte in dieser Zeit den literarischen Diskurs. Daneben konzentrierten sich viele Autorinnen und Autoren auf die Aufarbeitung ihrer eigenen Bio- graphie, ihrer Herkunft, ihrer Familienbeziehungen. Der postmoderne Roman wird eine der gewähl- ten Textformen. Deutschsprachige Literatur in der Schweiz Die Schweiz blieb – isoliert von Deutschland – von den Verwerfungen und Bedrohungen der Kriegs- zeit verschont und diente für viele Schriftsteller/innen als Zufluchtsort auf ihrem Weg ins Exil. Das Zürcher Schauspielhaus gewann in dieser Zeit des Exils eine hohe Bedeutung, da dort Werke aufge- führt werden konnten, die im Rest des deutschen Sprachraumes verboten waren und deren Verfas- ser/innen verfolgt wurden. Bedeutung literari- scher Zeitschriften Anknüpfung an Traditionen und aktuelle Zeiter- scheinungen Sprachexperimente und Provokation Auseinandersetzung mit historischen Fakten Bedeutung in Zeiten des Exils s4c2ae DEUTSCHSPRACHIGE LITERATUR NACH 1945 Nur zu P üfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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