Killinger Literaturkunde, Schulbuch

300 In den 1980-er Jahren verschwammen die Konturen: Einerseits ist die Zeit von einer zunehmenden Fokussierung auf das eigene Leben, die eigene Individualität und gesteigertes Nützlichkeitsdenken geprägt, andererseits verliert die Werteordnung an Gültigkeit. Parallel zur Politik, die zunehmend entideologisiert wurde, ging es in der Literatur hauptsächlich um die eigene Befindlichkeit, die eige- ne Vergangenheit, die eigene Familiengeschichte. Mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 begann eine neue Ära, allerdings konnten die inneren Grenzen im Literaturbetrieb und im Literaturverständnis nur schwer überwun- den werden. Literatur der DDR Die Besonderheit der DDR-Literatur lag darin, dass die schriftstellerische Tätigkeit als Teil der po- litisch-gesellschaftlichen Auseinandersetzung im Dienst des Antifaschismus gesehen wurde. Eine Reihe von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, darunter Johannes R. Becher (1891 – 1958), Bertolt Brecht (1898 – 1956), Anna Seghers (1900 – 1983), Stefan Heym (1913 – 2001), Stephan Hermlin (1915 – 1997) und Arnold Zweig (1887 – 1968) kehrten aus dem Exil zurück und prägten die DDR- Literatur der frühen Jahre. Mit der Einflussnahme der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) sollte auf lange Sicht eine „sozialistische Nationalliteratur“ Deutschlands entstehen. Dieser staatliche Einfluss und die Zielvorgabe (Aufbau des Sozialismus) führten dann jedoch zu Behinderungen und zur Unterdrückung von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die sich diesem Ziel nur schwer unterordnen wollten. Selbst renommierte Schriftsteller/innen wie Bert Brecht oder Anna Seghers blieben von Kritik nicht verschont. In der Folge stagnierte die anfangs optimistische Literaturentwicklung. Einen Ausweg versuchte man 1959 mit dem „Bitterfelder Weg“, dessen Ziel es war, das Verhältnis der Schriftsteller/innen zur Welt der Werktätigen zu verbessern und den wechselseitigen Erfah- rungsaustausch und auch die Literaturproduktion der Arbeiter/innen mit Laienprogrammen nach dem Motto „Greif zur Feder, Kumpel, die sozialistische deutsche Nationalkultur braucht dich!“ zu fördern. Die Bestrebungen der nächsten Jahre endeten aber etwa 1965 mit der Aufgabe dieses Konzepts. In der Folge war es das Ziel der DDR-Kulturpolitik, die Literatur der DDR von der in der Bundes- republik nach Möglichkeit abzugrenzen. Als Folge dessen übersiedelte eine Reihe von namhaften Schriftstellerinnen und Schriftstellern in die Bundesrepublik. Ab etwa 1971 kommt es zu etwas liberaleren Tendenzen, mit der Ausbürgerung Wolf Biermanns (geb. 1936) im Jahr 1976 wird der kulturpolitische Kurs jedoch wieder verschärft. Namhafte DDR- Autorinnen und DDR-Autoren emigrierten in den Westen, u. a. Sarah Kirsch (geb. 1935) und Reiner Kunze (geb. 1933). In den letzten Jahren der DDR (bis 1990) bildete sich eine experimentelle literarische Szene (vor allem in Berlin) heraus, die mit alternativen Publikationsmethoden (Selbstverlag, Lesungen) die Kon- trolle durch den Staat zu unterlaufen versuchte. Allerdings stellte sich nach der Wende heraus, dass diese Szene vom Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) unterwandert war. Literatur Österreichs Nach dem Krieg kehrte eine Reihe von namhaften Autorinnen und Autoren aus dem Exil zurück, andererseits publizierten auch diejenigen, die mehr oder weniger mit dem Nazi-Regime sympathi- siert hatten bzw. ihre Ablehnung des Regimes im Rückzug auf das Private zum Ausdruck gebracht Fokussierung auf das eigene Ich Literaturschaffen als politisches Statement Staatlicher Einfluss Abgrenzung von der BRD Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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