Killinger Literaturkunde, Schulbuch

299 10 15 war idyllisch, und wir als Schreibende fühlten uns ihnen so nahe, daß wir uns mit ihnen identiˆzierten. Mit Schwarzhändlern und den Opfern der Schwarzhändler, mit Flüchtlingen und allen denen, die auf andere Weise heimatlos geworden waren, vor allem natürlich mit der Generation, der wir angehörten und die sich zu einem großen Teil in einer merk- und denkwürdigen Situation befand: sie kehrte heim. Es war die Heimkehr aus einem Krieg, an dessen Ende kaum noch jemand hatte glauben können. Wir schrieben also vom Krieg, von der Heimkehr und dem, was wir im Krieg gesehen hat- ten und bei der Heimkehr vorfanden: von Trümmern; das ergab drei Schlagwörter, die der jungen Literatur angehängt wurden: Kriegs-, Heimkehrer- und Trümmerliteratur. Gruppe 47 Unter Gruppe 47 versteht man eine Reihe von Schriftstellertreffen zwischen 1947 und 1967, die von Hans Werner Richter (1908 – 1993) organisiert wurden. Die wichtigsten deutschen und österreichi- schen Schriftsteller/innen der jungen Generation nahmen an diesen Treffen teil und tauschten dort ihre Texte und Erfahrungen aus. Der künstlerische Schwerpunkt lag auf einer realistischen Schreibweise, ästhetisierende Sprache wur- de abgelehnt. Thematisch wurden die Ereignisse des Krieges und seine Sinnlosigkeit, die menschli- chen Erfahrungen im Krieg und in der Nachkriegszeit behandelt, als einerseits die Kirche, anderer- seits die im Wirtschaftswunder erfolgreichen Unternehmer/innen (bisweilen mit Nazivergangenheit) großen Einfluss gewannen. Die Gruppe war lose organisiert und beschäftigte sich vor allem mit der Reflexion über die Texte der Mitwirkenden an den Tagungen, zu denen auch Literaturkritiker/innen eingeladen waren. Der nach der Gruppe benannte Literaturpreis wurde u. a. an Günter Eich (1907 – 1972), Heinrich Böll (1917 – 1985), Ilse Aichinger (geb. 1921) und Ingeborg Bachmann (1926 – 1973) vergeben. In den 1960-er Jahren kam die Gruppe immer mehr in die Kritik, da ihr vorgeworfen wurde, eine Literatur-Institution geworden zu ein, die nicht mehr repräsentativ für die moderne Literatur war. Folgerichtig wurden nach 1967 keine weiteren Treffen mehr organisiert. Literatur der BRD Ab der Gründung der beiden deutschen Staaten Bundesrepublik Deutschland (BRD, 23. Mai 1949) und Deutsche Demokratische Republik (DDR, 7. Oktober 1949) entwickelte sich die Kulturpolitik in entgegengesetzte Richtungen. Während im westdeutschen System die Entwicklung der Literatur weitgehend demokratisch und im Sinn einer freiheitlichen Grundordnung den einzelnen Schriftstel- lerinnen und Schriftstellern bzw. Verlegerinnen und Verlegern überlassen wurde, nahm die Führung der DDR wesentlich mehr Einfluss auf die Kulturpolitik. Der wirtschaftliche Aufschwung der 1950-er Jahre und der Kalte Krieg, durch den die beiden deut- schen Staaten in den Blickpunkt der Weltpolitik gerieten, verdeckte vielfach die Vergangenheit, deren Aufarbeitung oft verdrängt wurde. Mit der Ernüchterung über die Erfolge der Zeit des Wirt- schaftswunders in den 1960-er Jahren stieg das Protestpotenzial. Damit verbunden war auch eine stärkere Politisierung der Literatur. Nachdem jedoch in der Folge die Veränderungen, die man sich nach 1968 erhofft hatte, ausge- blieben waren, erfolgte ein Rückzug auf die Auseinandersetzung mit privaten, subjektiven Themen (Neue Subjektivität). Realistische Schreibweise Lose Organisation Unterschiedliche Entwicklungen in West und Ost Wirtschaftswunder j39wc5 DEUTSCHSPRACHIGE LITERATUR NACH 1945 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=