Killinger Literaturkunde, Schulbuch

298 DEUTSCHSPRACHIGE LITERATUR NACH 1945 LITERARHIsToRIscHER ÜBERBLIck Unmittelbare Nachkriegszeit Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bestand das Bestreben der Schriftsteller/innen darin, einen neuen Anfang abseits dessen, was die nationalsozialistische Kulturpolitik repräsentierte, zu setzen. Die Anknüpfungspunkte lagen einerseits in den Werken jener Autorinnen und Autoren, die sich noch im Exil befanden bzw. aus dem Exil zurückzukehren bereit waren. Sie traten in Konkurrenz mit jenen Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die nicht emigriert und damit der Verfolgung bzw. Nichtbe- achtung durch die nationalsozialistische Politik ausgesetzt waren. Am Begriff „innere Emigration“ entzündete sich nach 1945 eine Kontroverse zwischen Vertreterinnen und Vertretern der „inneren“ und der äußeren Emigration. Zusätzlich dazu konnten Werke internationaler Autorinnen und Autoren wieder rezipiert werden und beeinflussten die deutsche Literatur. In der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands (der späteren DDR) wird der Kampf gegen den Fa- schismus zum wichtigsten Motiv dieser Zeit. Trümmerliteratur Die Texte, die unmittelbar nach dem Krieg erschienen sind, kreisten häufig um aktuelle Themen wie Zerstörung und durch den Krieg verursachtes Leid. Sie wurden oft von Autorinnen bzw. Autoren verfasst, die selbst den Krieg und seine Folgen (Gefangenschaft, Verletzung, Verlust von Menschen und Eigentum, Flucht und Verfolgung) erlebt hatten. Die junge Generation wollte sich ausdrücklich nicht von den bisherigen literarischen Strömungen vereinnahmen lassen, die Literatur der Stunde Null schließt jedoch sehr wohl an vorangegangene Strömungen an. Als Sammelbegriff für Texte, die diese Thematik behandeln, wird die Bezeichnung Kahlschlag- oder Trümmerliteratur verwendet. Heinrich Böll (1917 – 1985) fasste sein Verständnis dieser Zeit und ihrer Literatur in dem Text Be- kenntnis zur Trümmerliteratur (1952) zusammen: 1 5 Die ersten schriftstellerischen Versuche unserer Generation nach 1945 hat man als Trüm- merliteratur bezeichnet, man hat sie damit abzutun versucht. Wir haben uns gegen diese Bezeichnung nicht gewehrt, weil sie zu Recht bestand: tatsächlich, die Menschen, von denen wir schrieben, lebten in Trümmern, sie kamen aus dem Kriege, Männer und Frauen in glei- chem Maße verletzt, auch Kinder. Und sie waren scharfäugig: sie sahen. Sie lebten keines- wegs in völligem Frieden, ihre Umgebung, ihr Beˆnden, nichts an ihnen und um sie herum Ein neuer Anfang Zerstörung und Kriegsleid Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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