Killinger Literaturkunde, Schulbuch

291 Erlebte Rede Der letzte Absatz des Ausschnitts ist in der Form der erlebten Rede geschrieben. Die erlebte Rede steht zwischen der direkten Rede und dem inneren Monolog. Sie gibt Vorstellungen und Gedanken einer Figur wieder, jedoch in der 3. Person, also in einer Form, die von der Anwesen- heit eines Erzählers zeugt. Erlebte Rede und Gang der Handlung werden eins. Da die erlebte Rede geheimste Gedanken offenbart, lässt sie uns tief in die Welt der Figur blicken und gewinnt suggestive Eindringlichkeit. 14. Vergleichen Sie die Standpunkte von Augustus und Vergil über die Rolle der Literatur. Erörtern Sie, worin die Unzufriedenheit des Vergil mit seinem Werk begründet ist. LyRIk Während die Lyrik im Expressionismus eine bedeutende Rolle gespielt hatte, wurde sie in der Zwi- schenkriegszeit zurückgedrängt, da die Betonung der sachlichen Schilderung von Inhalten ihr die Ausdruckskraft geraubt hatte. Einerseits trat ironisch-humorvolle Gebrauchslyrik in den Vordergrund, andererseits gewann die Landschaftslyrik größeres Gewicht. Man wollte keine Erneuerung des romantischen Naturgedichts, in dem die Stimmung des Dichters im Vordergrund steht und die Natur nur Bilder und Vergleiche liefert. Der Gefühlserregung des lyri- schen Ichs stellte man vielmehr die Sprache der Dinge gegenüber. Das übersteigerte Ich-Bewusstsein (vor allem der Expressionisten) sollte von den konkreten Erscheinungen der Natur zurückgedrängt werden. Das genaue Benennen und Beschreiben von Gegenständen und Vorgängen in der Natur sollte das Aufkommen von verschwommenen Gefühlen verhindern, die sich an Naturgedichten so leicht fest- setzen. Wilhelm Lehmann meinte: „Die Natur hält jedermann ihre furchtbaren Gemeinplätze hin.“ Eigenart eines Gedichts müsse es jedoch sein, „angeschaute Welt“ zu vermitteln. Das Gedicht ver- setze „Menschen wie Dinge aus einem ungenauen in einen genauen Zustand“ und verbanne die „Sonntagsgefühle“. Bei all dem wird der Dichter nicht etwa zum Reporter wie im Naturalismus; denn die „neue Sachlichkeit“ schließt das Wunder der Natur mit ein. Schon die „Ordnung des Sichtbaren“ erscheint als wunderbar. In formaler Hinsicht verhielten sich die Autorinnen und Autoren durchaus traditionell, d. h. sie verwendeten die gängigen Strophen-, Vers- und Reimformen. Hans Carossa (1878 – 1956), Wil- helm Lehmann (1882 – 1968), Joachim Ringelnatz (1883 – 1934), Gottfried Benn (1886 – 1956), Kurt Tucholsky (1890 – 1935), Georg Britting (1891 – 1964), Bertolt Brecht, Elisabeth Langgäs- ser (1899 – 1950), Erich Kästner (1899 – 1974), Peter Huchel (1903 – 1981) und Günter Eich (1907 – 1972) zählen zu den Lyrikerinnen und Lyrikern dieser Epoche. Einige von ihnen haben auch nach dem Zweiten Weltkrieg ihre schriftstellerische Tätigkeit in ähnlicher Weise fortgesetzt. Sachlicher Zugang c6a6yk DIE ZEIT ZWISCHEN DEN KRIEGEN – NEUE SACHLICHKEIT | 1920 – 1945 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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