Killinger Literaturkunde, Schulbuch

283 110 115 trotzdem lieben – und jetzt, nachdem sich alles so eingerenkt hat. – Ich hab dir mal gesagt, Mariann, du wirst meiner Liebe nicht entgehn – MARIANNE: Ich kann nicht mehr. Jetzt kann ich nicht mehr – OSKAR: Dann komm – Er stützt sie, gibt ihr einen Kuss auf den Mund und langsam ab mit ihr – und in der Luft ist ein Klingen und Singen, als spielte ein himmlisches Streichorchester die „Geschichten aus dem Wiener Wald“ von Johann Strauß. 8. Beobachten Sie, wie Horváths Stück den moralischen Verfall von verblendeten Kleinbürgern zeigt: • Beschreiben Sie, welche Erwartungen der Titel des Stücks weckt. • Vergleichen Sie, wie die Figuren mit dem Tod des Kindes umgehen. • Finden Sie Gründe für den Wechsel von hochtrabenden Phrasen und derber Ausdrucksweise. • Stellen Sie Vermutungen für den Widerspruch zwischen kitschig anmutender Sentimentalität und Tragik an. gRosssTADTRoMAn Alfred Döblin Die Thematik der Großstadt trat als Sonderform des sozialen Romans in den Vordergrund. Der Mensch wird darin als Einzelner im Leben in der Großstadt abgebildet. Häufig werden soziale Pro- bleme und das Großstadtleben allgemein thematisiert. Neben Alfred Döblin verfasste auch Erich Kästner (1899 – 1974) mit seinem Werk Fabian (1931) einen Großstadtroman. Der Berliner Arzt Alfred Döblin (1878 – 1957) erzählt in seinem Großstadtroman Berlin Alexan- derplatz (erschienen 1929) die Geschichte des Transportarbeiters Franz Biberkopf, eines aus dem Gefängnis entlassenen Mannes, den es hilflos durch die Stadt treibt und der von den Eindrücken überwältigt wird. 1 5 10 Er stand vor dem Tor des Tegeler 1 Gefängnisses und war frei. Gestern hatte er noch hinten auf den Äckern Kartoffeln geharkt mit den andern, in Strä ingskleidung, jetzt ging er im gelben Sommermantel, sie harkten hinten, er war frei. Er ließ Elektrische 2 auf Elektrische vorbeifahren, drückte den Rücken an die rote Mauer und ging nicht. Der Aufseher am Tor spazierte einige Male an ihm vorbei, zeigte ihm seine Bahn, er ging nicht. Der schreckliche Augenblick war gekommen [schrecklich, Franze, warum schrecklich?], die vier Jahre waren um. Die schwarzen eisernen Tor ügel, die er seit einem Jahre mit wachsendem Widerwillen betrachtet hatte [Widerwillen, warum Widerwillen], waren hinter ihm geschlossen. Man setzte ihn wieder aus. Drin saßen die andern, tischlerten, lackierten, sortierten, klebten, hatten noch zwei Jahre, fünf Jahre. Er stand an der Haltestelle. Die Strafe beginnt. Er schüttelte sich, schluckte. Er trat sich auf den Fuß. Dann nahm er einen Anlauf und saß in der Elektrischen. Mitten unter den Leuten. Los. Das war zuerst, als wenn man beim Zahnarzt sitzt, der eine Wurzel mit der Zange gepackt hat und zieht, der Schmerz wächst, Der Einzelne in der Großstadt Großstadteindrücke 1 Tegel: Stadtteil von Berlin 2 Elektrische: Straßenbahn gg3a5p DIE ZEIT ZWISCHEN DEN KRIEGEN – NEUE SACHLICHKEIT | 1920 – 1945 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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