Killinger Literaturkunde, Schulbuch

261 Typisch expressionistische Gestaltungsmerkmale finden sich im folgenden Gedicht von Georg Heym: 2 4 6 8 10 12 14 Georg Heym Der Hunger (1911) Er fuhr in einen Hund, dem groß er sperrt Das rote Maul. Die blaue Zunge wirft Sich lang heraus. Er wälzt im Staub. Er schlürft Verwelktes Gras, das er dem Sand entzerrt. Sein leerer Schlund ist wie ein großes Tor, Drin Feuer sickert, langsam, tropfenweis, Das ihm den Bauch verbrennt. Dann wäscht mit Eis Ihm eine Hand das heiße Speiserohr. Er wankt durch Dampf. Die Sonne ist ein Fleck, Ein rotes Ofentor. Ein grüner Halbmond führt Vor seinen Augen Tänze. Er ist weg. Ein schwarzes Loch gähnt, draus die Kälte stiert. Er fällt hinab, und fühlt noch, wie der Schreck Mit Eisenfäusten seine Gurgel schnürt. 14. Beobachten Sie, wie Georg Heym den Hunger in diesem Gedicht personifiziert darstellt: • Beschreiben Sie, welche Bilder verwendet werden, um qualvollen Hunger anschaulich zu machen. • Illustrieren Sie, welche Wirkung die Verben erzeugen. • Stellen Sie dar, welche weiteren expressionistischen Merkmale erkennbar sind. • Analysieren Sie, welche Form das Gedicht hat. Die Synästhesie (vgl. Seite 179) und das Zusammenwirken von Bild, Klang und Rhythmus sind für die Expressionisten wesentlich, besonders für Georg Trakl (1887 – 1914). Er war 1914 als Militär- apotheker in Kämpfen gegen Russland in Galizien eingesetzt. Angesichts der vielen Toten und Ver- wundeten schied er in Verzweiflung mit einer Überdosis Kokain aus dem Leben. Das vorherrschende Thema seiner Gedichte ist der Verfall: 2 4 Georg Trakl Verfall (1913) Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten, Folg ich der Vögel wundervollen Flügen, Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen, Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten. Synästhesie 7nc7xc GEGENSTRÖMUNGEN ZUM NATURALISMUS | 1890 – 1925 Nur zu P üfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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